Der «hohe Ellbogen» ist im Schwimmen der Schlüssel für einen wirkungsvollen Abdruck unter Wasser und entscheidet massgeblich über Effizienz und Vortrieb.
Im Schweizer Lehrwesen wird sie als eine zentrale Kernbewegung im Schwimmen vermittelt: die «Ellenbogen-vorn-Haltung». Was auf den ersten Blick nach trockener Theorie tönt, ist das eigentliche Geheimnis, wenn es um einen effizienten Arm-Antrieb im Schwimmen geht. Ganz egal, ob wir vom Kraul-, Brust-, Rücken- oder Delfinschwimmen reden: das Prinzip bleibt immer dasselbe.
Sobald die Hand (bzw. im Falle von Brust und Delfin: die Hände) im Wasser eingetaucht und sich im Wasser ausgestreckt hat, geht es darum, einen maximalen Abdruck zu erreichen und gleichzeitig den Widerstand so gering wie möglich zu halten. Dies erreicht man beim Übergang von der Zug- zur Druckphase, indem man den Ellbogen so weit es die individuellen anatomischen Voraussetzungen zulassen in Schwimmrichtung hält und den Unterarm vertikal unter den Ellbogen einklappt.
Bei professionellen Schwimmern befindet sich der Ellbogen in dieser sogenannten «Stützphase» beinahe auf Höhe der Schultern, also nahe an der Wasseroberfläche. Ältere und wenig trainierte Schwimmer bringen diese Flexibilität nicht mehr mit, weshalb der Ellbogen nicht mehr ganz so «hoch», aber immer noch genauso so markant abgewinkelt im Wasser steht. Im Vordergrund steht immer der Versuch, sich effektiv am Widerstand des Wassers abzustützen und diese Stütze so lange aufrecht zu erhalten, bis die Hand den Ellbogen überholt hat und damit den kraftvollen Abdruck nach hinten in Richtung Oberschenkel einleitet. Das bringt im Endeffekt mehr Strecke pro Armzug und ermöglicht schnellere Schwimmzeiten.
Was nach knorzig-komplizierter Verrenkung tönt, kann an zwei simplen Beispielen veranschaulicht werden. Stellen Sie sich vor, sie befinden sich in einem Seilzieh-Duell und müssen mit aller Kraft versuchen, den Gegner am Seil zu sich zu ziehen. Was tut man in dieser Situation ganz automatisch? Klar: die Ellbogen anwinkeln, weil man so viel mehr Zugkraft aufbauen kann, als wenn man mit gestreckten Armen am Seil ziehen würde. Oder malen Sie sich aus, Sie müssten über einen kopfhohen Mauervorsprung klettern. Auch da winkelt man intuitiv die Ellbogen an, um eine maximale Abdruckfläche zu erreichen, mithilfe derer man sich nach oben ziehen kann. Oder versuchen Sie mal, einen Ball im Wasser von vorne nach hinten zu drücken: ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man dabei nicht die Ellbogen anwinkelt!
Achtung: Energieverschwendung!
Doch was an Land naheliegend und einfach tönt, mutet im Wasser dann oft schwieriger an. Statt den Ellbogen möglichst früh in Schwimmrichtung anzustellen, führen viele Kraulschwimmer den Arm erst gerade unten in Richtung Boden, bevor dann reichlich spät eine kleine Ellbogen-Beugung für den Abdruck erfolgt. Einer der klassischen Fehler im Schwimmen! Spricht man den Sportler auf diesen Missstand an, hört man nicht selten die Entschuldigung «mir fehlt einfach die Kraft dazu» oder «das geht so auf die Schultern!». Es stimmt zwar, dass der Krafteinsatz im Schwimmen exponentiell zur Geschwindigkeit zunimmt. Aber deswegen den Ellbogen nicht so früh, wie es einem möglich ist, anzustellen, ist eine Energieverschwendung par excellence. Denn ein Arm, der beim Kraulschwimmen erst einmal gestreckt nach unten geführt wird, drückt den Schwimmer statt nach vorn (in Schwimmrichtung) nach oben (an die Wasseroberfläche) und steht erst noch frontal zum Wasserwiderstand. Um diesen zu überwinden, ist dann deutlich mehr Krafteinsatz erforderlich als es ein hoher Ellbogen verlangt. Kein Wunder deshalb, dass bereits Kinder im Vorschulalter beim Seepferdchentest spielerische Übungen wie «Scheibenwischer» oder «Mississippidampfer» ausführen und dabei nicht nur das Wassergefühl schulen, sondern auch bereits den «hohen Ellbogen» üben.
Und auch für erwachsene Schwimmer lohnt sich, immer wieder auf einen hohen Ellbogen in der Unterwasserphase zu achten. Zahlreiche Übungen helfen einem, die Wirksamkeit dieser Position zu erfahren. Und je mehr man übt, desto eher geht einem die Kernbewegung «Ellenbogen-vorn-Haltung» in Fleisch und Blut über. Was einen im Endeffekt nicht nur kraftsparend, sondern vor allem schneller schwimmen lässt.
Technische Übungen für Kraulschwimmer
• Mississippidampfer
• Hundecrawl-Abschlag
• Hundecrawl wechselseitig
• Kippfenster-Paddeln
• Scheibenwischer-Paddeln
• Kraul einarmig, ruhiger Arm nach vorne gestreckt oder an der Seite anliegend
• Kraul einarmig mit Faust, ruhiger Arm nach vorne gestreckt oder an der Seite anliegend
• Kraul-Abschlag oben oder unten (auf Höhe der Oberschenkel)
• Kraul-Abschlag mit Fäusten oder Finger-Paddles
Alle Übungen im Video-Kanal
Anschauliche Videos zu den im Text erwähnten technischen Übungen finden sich im entsprechenden FIT for LIFE-Video auf YouTube. Detaillierte Erläuterungen zu den einzelnen technischen Übungen gibt es zudem im pdf Hoher-Ellbogen-technische-Uebungen