Auf die Latten, fertig, los: Langlaufen ist angesagt wie kaum zuvor. Eine geschickte Aufteilung der Langlauf-Saison bringt mehr als reines Dauertraining.
Neben den Profis gibt es etwa drei Typen von Langläuferinnen und Langläufern:
- Typ 1 sind die ambitionierten, die schon vor dem Winter fiebrig daran denken, wie sie bis zum Engadiner in Hochform sein können.
- Typ 2 sind diejenigen, die nach Lust, Laune und Gelegenheit und ohne konkretes Ziel unterwegs sind und sich keine grossen Gedanken zum Training machen.
- Und Typ 3 sind diejenigen, die zwar ebenfalls nach Lust und Laune trainieren und sich ebenfalls wenig Gedanken über ein gezieltes Training machen, am Engadiner aber trotzdem in Hochform sein möchten…
Die Vorgehensweise in der Praxis ist bei allen meist gleich: Draufstehen, reinklicken und loslaufen! Technikübungen? Nein danke – vielleicht das nächste Mal, Hauptsache streng. Im Langlauf-Breitensport hat das Dauertraining nach wie vor Hochkonjunktur.
Erkennen Sie sich wieder? Wenn nein, dann machen Sie trainingstaktisch alles richtig bzw. sind Sie entweder ein Rennläufer, haben einen Langlauflehrer – oder einen Trainingsplan.
Nicht immer im Dauermodus
Gehören Sie aber in die eine der drei erwähnten Typen-Gruppen, dann möchten wir Sie motivieren, ab und zu neben der Spur zu laufen bzw. fremdes (Trainings-)Terrain zu betreten und nicht immer im Dauerrhythmus eine Stunde oder mehr skaten zu gehen. Sie werden sehen, dass speziell in einer technischen Sportart wie Langlauf Abwechslung äusserst gewinnbringend ist. Zu diesem Zweck teilen wir die Saison in drei Phasen – und ein Dessert – ein:
- Phase 1: Dezember bis Anfang/Mitte Januar: Schneegewöhnung/ Koordination/Gleichgewicht
- Phase 2: Mitte Januar bis Anfang Februar: Kondition/Schrittarten/Tempo
- Phase 3: Anfang bis Ende Februar: Variationen/Souplesse/Feintuning
- Dessert: Wettkampfziel im Februar/März
Phase 1: Technik, Geschicklichkeit, Gleitfähigkeit
Viele konditionsstarke Männer sind erstaunt, wenn ihnen feingliedrige Frauen um die Ohren skaten und vergessen dabei, dass Kraft zwar durchaus wichtig ist beim Langlaufen, sich eine gute Technik aber noch weitaus entscheidender auswirkt. Deshalb heisst es in den ersten Schneetrainings vor allem eins: üben, üben, üben.
Auspowern können Sie sich vorerst mit anderen Sportarten, doch zum Saisonstart im Langlauf geht nichts über zahlreiche Technik-, Gleichgewichts- und Gleitübungen wie die folgenden:
- Vorwärtsstossen auf einem Ski: Möglichst flach auf einem Ski stehen und sich mit den Stöcken vorwärts schieben.
- Lange gleiten: Normal skaten, aber so lange wie möglich gleiten (auf mindestens drei zählen).
- Überkreuzen: Am Schluss der Gleitphase den inneren Ski mit der Spitze vorne quer über den Gleitski heben vor dem Wechsel zur anderen Seite.
- Stöcke hinter Rücken: Stöcke mit Händen hinter dem Körper waagrecht und 90 Grad zur Körperachse halten; mit aufrechtem Oberkörper skaten und möglichst lange gleiten, ohne dass der Oberkörper rotiert.
- Fiktiver Stockeinsatz: Ohne Stöcke laufen, dazu mit den Armen einen fiktiven Stockeinsatz ausführen.
- Klatschen: Während der Gleitphase dreimal (ohne Stöcke) in die Hände klatschen. Beim Seitenwechsel mit den Armen hinten etwas Schwung holen und auf die nächste Gleitphase wieder nach vorne führen zum Klatschen.
- Hände abstützen: Sich (ohne Stöcke) bei jeder Gleitphase mit beiden Händen auf dem Knie des Gleitbeins abstützen und wieder aufrichten.
- Schlittschuhschritt: Hände ohne Stöcke hinter dem Körper halten und möglichst aerodynamisch (gebückt) skaten.
- Schlittschuhschritt mit Armeinsatz: Mit den Armen gegengleich die Skatingbewegung unterstützen wie beim Eisschnelllaufen. Kann mit oder ohne Stöcke durchgeführt werden.
- Doppelter Stockeinsatz: Nach Stockeinsatz länger auf einem Ski gleiten und noch einen zweiten Stockeinsatz ausführen, bevor das Gewicht wieder auf den anderen Ski verlagert wird.
- Siitonen-Schritt: Mit einem Ski in der Klassisch-Spur, mit dem anderen seitlich abstossen. Stockeinsatz gleichzeitig zum Beinabstoss.
- Mit einem Stock: Einen Stock weglegen und 2–3 Minuten nur mit einem Stock skaten. Danach retour und Stockwechsel.
- «Blind» skaten: Auf einer flachen und geraden Loipe ab und zu drei bis fünf Schritte mit geschlossenen Augen skaten, wenn die Bahn frei ist.
- Hüpfen: Dynamischer Skatingschritt aus den Beinen, nach dem Skiaufsatz noch einmal aktiv abstossen und mit einem kleinen Sprung einen Moment lang beide Ski in der Luft halten, bevor die Gleitphase fertig geführt wird.
- Flieger: Möglichst weit auf einem Ski gleiten und das andere Bein gestreckt hinten hoch strecken. Vorsicht Sturzgefahr!
Die ersten Schneeeinheiten sollten ganz im Zeichen solcher Technikübungen stehen. Immer wieder und möglichst immer souveräner. Falls Sie nicht widerstehen können und unbedingt eine Weile am Stück laufen möchten, dann versuchen Sie zumindest, zwischen den einzelnen Skating-Schrittarten abzuwechseln. Also 2:1 (ein Stockeinsatz auf zwei Schritte) im Wechsel mit ebenfalls 2:1, aber dem Stockeinsatz zeitgleich mit dem anderen Skiabstoss. Oder fliegender Wechsel von 2:1 zu 1:1 (Stockeinsatz auf jeden Schritt) und nach ein paar Schritten wieder zurück. Dazu auch mal kurz in die Klassisch-Spur wechseln und ein paar Minuten Doppelstockeinsatz ausüben.
Wichtig: Vorläufig immer so skaten, dass Sie nicht komplett ausser Atem geraten, sondern sich auf eine saubere Technik konzentrieren können. Was wiederum bedingt, dass Sie nicht jedem Skater oder jeder Skaterin hinterherhecheln, die schneller unterwegs sind als Sie. Im Dezember stehen in der Loipe nicht das Herz-Kreislauf-System und die Kraft im Fokus, sondern technische Elemente, und dies mindestens während den ersten 5–8 Laufeinheiten.
Tipp: Eine oder zwei Lektionen bei einem Langlauflehrer können Wunder bewirken. Er oder sie macht Sie auf die schwerwiegendsten Mängel aufmerksam und kennt zahlreiche Übungen, wie Sie an ihren Schwächen feilen können.
Trockentipp: Üben Sie in dieser Phase neben Einheiten im Schnee viele Sportarten aus, bei denen der Oberkörper beansprucht wird (Nordic Walking, Schwimmen, Running mit Stöcken, Fitness- und Krafttraining). Auch Kraft- und Gleichgewichtsübungen mit dem eigenen Körpergewicht sind leicht zu Hause ohne Schnee durchführbar und sollten so oft wie möglich integriert werden.
Phase 2: Jetzt dürfen Sie powern
Die Technikübungen sollten natürlich auch im Januar noch fleissig durchgeführt werden, beispielsweise zu Beginn einer Skating-Einheit. Dazu dürfen Sie nun aber auch mal zünftig Gas geben. Verbringen Sie möglichst viel Zeit auf Schnee, jetzt darf ein Training auch mal bis zwei Stunden dauern.
Die wichtigste Regel im Januar: Variieren Sie die Intensitäten! Und zwar am besten rigoros! Also nicht ständig mittelharte Einheiten, so wie Sie gefühlsmässig unterwegs wären. Sondern vielmehr lockere und langsame Einheiten (inkl. Technikübungen), die dafür etwas länger dauern dürfen, in Kombination mit kurzen Trainings, die dafür hochintensive Phasen beinhalten. Die wichtigsten drei Intensitäten:
- Lang und locker: Vorgabe: Puls übersteigt möglichst nie 60-70% der maximalen Herzfrequenz. Wenn diese 190 beträgt, sollten Sie also maximal mit Puls 150 unterwegs sein. Das bedingt ein flaches Terrain und eine gute Technik, damit man locker skaten kann.
- Schwellentraining: Als Schwellentraining bezeichnet man ein Training an der Grenze zwischen aerober und anaerober Energiebereitstellung. Wo die Schwelle liegt, ist individuell. Wenn Sie eine möglichst hohe Intensität bzw. Pulsfrequenz im konstanten Tempo etwa 40–50 Minuten halten können, bewegen Sie sich etwa im Schwellenbereich.
- Hochintensive Phasen: Nur wer ab und zu ganz schnell unterwegs ist, kann auch wirklich sein Tempo steigern. Konkret: Laufen Sie Intervalle mit hochintensiven Phasen, die nur gerade 2–3 Minuten dauern. Dazwischen etwa gleich lang locker laufen, damit sich der Puls zwischendurch komplett erholt. Für intensive Intervalle eignet sich auch ein coupiertes Gelände, wo man die Steigungen hochsprintet und in den Flachpassagen ruhiger läuft.
Entscheiden Sie sich innerhalb eines Trainings für eine Form, also entweder langsam und locker, an der Schwelle oder dann hart mit Intervallen, aber mischen Sie diese Formen nicht beliebig miteinander. Jedes Training sollte einen klaren Schwerpunkt haben. Was durchaus möglich ist: 60–80 Minuten ein ganz lockeres (Technik-)Training durchführen und danach noch 30 Minuten kurze Intervalle laufen (z.B. 2 min sehr schnell, 3 min locker).
Tipp: Sie können ruhig auch spezielle Schwerpunkte setzen, also beispielsweise einmal den Fokus auf die Beine legen und zehn Minuten lang möglichst zügig ohne Stöcke skaten (5 Minuten hin und 5 zurück). Oder umgekehrt die Arme forcieren und einige Minuten in der Klassisch-Spur kräftig mit Doppelstock laufen. Und wenn Sie am Ende einer intensiven Intervall-Phase völlig ausser Atem sind, können Sie auch einen Moment Pause machen und «skiwandern», bis sich der Puls beruhigt hat.
3. Phase: Feintuning
Sie fühlen sich mittlerweile wieder wohl auf dem Schnee, wechseln intuitiv und routiniert die Schrittarten und haben ein gefestigtes Grundtempo, welches sie über einen gewissen Zeitraum durchhalten können Ziehen Sie dennoch Anfang Februar ein Zwischenfazit, wo Sie noch Schwächen haben. Ist eine Seite deutlich schwieriger mit dem Stockeinsatz oder der Gleitphase, haben Sie bergauf zu wenig Power, verdreht es Sie häufig im Oberkörper? Dann legen Sie den Fokus möglichst oft genau auf diese Schwächen. Die Stärken pflegen, aber an den Schwächen feilen, lautet das Motto.
Allgemein ist weiterhin ein vielseitiges Training gefragt mit Intervallformen, Tempotrainings, aber auch vielen spielerischen Variationen. Sie können beispielsweise alle möglichen Schrittformen zu einem kompletten Training zusammenführen und beliebig variieren, beispielsweise so:
- 10 Minuten Doppelstock/Skating im Wechsel
Dabei immer nach 10 Doppelstockstössen in der Klassisch-Loipe mit einem Siitonenschritt seitlich in die Skatingloipe wechseln und 10 schnelle Skatingschritte 1:1 ausführen. Dann wieder zurück in die Klassisch-Spur wechseln und erneut 10 Doppelstockstösse. - 5 Minuten locker laufen
- 10 Minuten lang 2:1 und 1:1 im Wechsel
10 Schritte 2:1, 10 Schritte 1:1. Beim 2:1 versuchen, sich zu erholen und locker laufen. - 5 Minuten locker laufen
- 10 Minuten Doppelstock mit Spurwechsel
Immer nach 10 Stössen in der Klassisch-Loipe mit einem Siitonenschritt in die andere Spur wechseln und erneut 10 Doppelstockstösse durchführen. - 5 Minuten locker laufen
- 10 Minuten mit Stöcken hinter dem Rücken
- 5 Minuten locker laufen
- 10 Minuten lang 10 Schritte 1:1 schnell, 10 Schritte Doppelstock. im Wechsel.
- 10 Minuten locker auslaufen
Wenn Sie zwischen den Schrittblöcken lockere 5-min-Abschnitte einlegen, können Sie die 10-min-Blöcke mit hohem Tempo und dennoch technisch sauber durchziehen. Ebenfalls gewinnbringend sind zwischenzeitlich maximal schnelle Abschnitte. Also z.B. 1 Minute locker 2:1 laufen, dann fliegender Wechsel zum 1:1 und mit 20 Schritten bis zur maximalen Geschwindigkeit steigern. Wieder zurück zum 2:1 wechseln und locker eine Minute weiter laufen. Danach erneut 20 Schritte 1:1-Sprint. Das Ganze rund 12 Mal wiederholen.
Anfang Februar ist nun zudem auch die Zeit, einmal zwei Stunden oder noch länger am Stück zu laufen. Üben Sie dabei die für Sie passende Verpflegung und die nötige Flüssigkeitszufuhr. Im flachen Gelände auch lockere Abschnitte einstreuen, bergauf darf die Intensität aber ruhig anziehen.
Gleichzeitig sollten Sie darauf achten, in den Winterferien nicht zu hart zu trainieren und lockere und strenge Einheiten geschickt zu kombinieren, wenn Sie plötzlich während einer Woche fast täglich – und dies vermutlich irgendwo in der Höhe – auf den Ski stehen. Da kann auch ein Besuch im Hallenbad oder in der Sauna für Abwechslung und die nötige Erholung sorgen.
Immer problemlos möglich: ein lockeres Techniktraining mit vielen spielerischen Gleichgewichtsund Koordinationsübungen. Und was ebenfalls gut tut: Abfahrten üben. Suchen Sie sich eine Strecke mit Steigung aus, wo Sie die Steigung technisch sauber und zügig hochskaten, um dann die Abfahrt möglichst sicher und dennoch rasant wieder herunterzufahren. Und wiederholen Sie das Ganze ein paar Mal.
Tipp: Suchen Sie sich einen (etwa gleich starken) Trainingspartner, mit dem Sie das Windschattenlaufen trainieren können. Im Windschatten sparen Sie Kraft und gleichzeitig zwingt Sie ein Partner, einen fremden Rhythmus anzunehmen. Zudem macht das Laufen so doppelt Spass.
Wettkampf-Countdown
Der Engadiner als «Dessert»
Der Engadin Skimarathon ist und bleibt das Schweizer Langlauf-Highlight. Obwohl die Mehrheit der Teilnehmer sonst kaum Wettkämpfe läuft – aber am zweiten März-Wochenende beim Engadiner sind sie dabei. Die Feinschliffplanung auf den Engadiner beginnt zwei Wochen vor dem Wettkampf. Im Folgenden die wichtigsten Punkte für einen sinnvollen Countdown (sowie auch für einen anderen längeren Wettkampf):
- Gesamtumfang des Trainings in den letzten zwei Wochen vor dem Wettkampf zurückfahren und keine ganz langen Einheiten mehr absolvieren.
- Dafür das Technik- und Geschicklichkeitstraining intensivieren. Viele Übungen einbauen und versuchen, so ökonomisch wie möglich zu laufen.
- In der Wettkampfwoche sind auszehrende Trainings aller Art tabu. In der letzten Woche gibts keine Kondition mehr, müde laufen hingegen kann man sich alleweil noch – und zwar schneller als man meint.
- Alternative Sportarten sowie Krafttraining haben in den letzten zwei Wochen nichts mehr im Trainingsplan zu suchen, jetzt zählt die spezifische Vorbereitung.
- Noch einmal ein paar Trainings absolvieren mit vielen Schrittartenwechseln, kurzen Tempoabschnitten (kurze Steigerungsläufe) sowie Abfahrten.
- Wer bereits vor Ort ist, kann sich einzelne Streckenabschnitte sowie das Start- und Zielgelände einprägen.
- Dauertrainings in der letzten Woche nur noch in tiefer Intensität laufen.
- Balanceübungen auf Wackelbrett, Stretching und Rumpfübungen dürfen aber problemlos noch integriert werden.
- Windschattenlaufen üben, wenn Partner vorhanden.
- Viel trinken und schlafen im Vorfeld des Wettkampfs. Wer Lust hat, kann sich ein paar Tage vor dem Ernstfall auch in der Sauna entspannen.
- Ab spätestens Donnerstag mit dem Carboloading beginnen, also sich kohlenhydratreich ernähren und in den letzten zwei Tagen auf faserreiche (Vollwertküche) und schwer verdauliche Nahrung verzichten.
- Material frühzeitig bereitstellen, Bekleidung auswählen.