Bildquelle: © Andreas Gonseth

Sportuhren mit GPS haben sich im Ausdauersport schon lange etabliert. Manche Sportler sind mittlerweile aber auch auf schlankere Smartwatches umgestiegen. Noch kompakter kommen smarte Ringe daher, die am Finger getragen nonstop Daten aller Art sammeln. Doch sind sie für Sportler eine echte Alternative? Wir haben es ausprobiert.

Text: Jörg Geiger und Andreas Gonseth

Die letzte Trainingsrevolution ist bereits 20 Jahre her. Damals hatte Garmin den ersten Forerunner am Start, eine Laufuhr mit integriertem GPS. Das war zwar noch ein richtiger Brocken am Handgelenk, den man ausschliesslich zum Training anschnallte, aber die Idee vom Training mit GPS-Uhr ging in die Welt – und heute ist sie der absolute Standard.

In den letzten Jahren hat sich viel getan: Die Trainingshilfen von Garmin, Polar, Suunto & Co. haben harte Konkurrenz erhalten durch Smartwatches und Fitness-Armbänder. Apple, Google, Samsung und andere grosse Tech-Firmen haben die Sportlerinnen und Sportler als lukrative Zielgruppe entdeckt und punkten mit Geräten, die nicht nur beim Sport sinnvolle Aufgaben erledigen, sondern auch im Alltag nützlich sind.

Vom Armband zum Ring

In der Technikwelt wird dauernd weiter erfunden, optimiert und nach zusätzlichen Nischen gesucht. So haben Sportuhren, Smartwatches und Fitnessarmbänder nun eine weitere Konkurrenz erhalten, die noch einmal kompakter und eleganter daherkommt. Die Rede ist von smarten Ringen, die im Eilzugstempo weltweit eine gesundheitsbewusste Kundschaft erobern.

Ganz neu sind die smarten Ringe nicht, ihre Anfänge liegen bereits rund zehn Jahre zurück. Doch die Technologie wurde immer raffinierter, und mittlerweile haben Nutzer eine breite Auswahl an Produkten in verschiedenen Preisklassen. Die günstigsten Smart-Ringe sind bereits unter 50 Franken zu haben, es gibt aber auch edlere Modelle für den zehnfachen Preis.

Ist der Unterschied zwischen einer schlanken GPS-Sportuhr und einer Smartwatch auf den ersten Blick nicht besonders gross, unterscheiden sich smarte Ringe doch deutlich von dem, was Sportler in Training und Wettkampf gewöhnlich am Handgelenk tragen. Leichte Sportuhren wiegen kaum 40 Gramm, Fitness-Ringe bringen aber nur etwa ein Zehntel davon auf die Waage.

Ein Smart-Ring ist also noch einmal wesentlich kompakter als eine Uhr und zudem quasi ein Tech-Wolf im Schmuck-Tarnpelz. Die Uhr am Handgelenk ist vergleichsweise gross, den Ring am Finger spürt man kaum und vor allem: Es braucht wenig Überwindung, ihn dauernd zu tragen, also auch beim Schlafen. Eine Uhr hingegen ziehen viele in der Nacht aus.

Fehlendes Display

Wer nicht unbedingt eine Uhr am Handgelenk braucht, könnte mit den Ringen seine Nische finden. Der zweite offensichtliche Unterschied zu einer Sportuhr allerdings ist ein Nachteil: So smart und schlank ein Smart-Ring auch sein mag, ein Display fehlt. Das bedeutet, dass eine Gruppe wichtiger Funktionen wegfällt, konkret alles, was Sportuhren im Training und Wettkampf an Informationen live anzeigen.

Sind Sie es gewohnt, bei Tempoläufen Ihre Pace mit einem kurzen Blick aufs Display zu prüfen oder nachzusehen, wie lange die Pause beim Intervall-Training noch dauert? Fehlanzeige, das können Sie mit einem Smart-Ring vergessen. Bedienknöpfe und Vibrationsalarme gibt es bei den meisten Smart-Ringen ebenfalls nicht, sodass Sie sich entweder auf die Automatik verlassen oder per App Einstellungen vornehmen müssen. Auch können die meisten Ringe nicht durch Vibration auf sich aufmerksam machen. Erwarten Sie also keine Hinweise, etwa auf ein zu langsames Tempo, auf das Ende eines Intervallabschnitts oder das Absinken Ihrer Herzfrequenz. Sie können auch nichts direkt am Gerät einstellen, etwa eine Trainingsrunde starten. Bedient werden die Ringe, wenn Sie nicht nur rein Daten sammeln, über zugehörige Smartphone-Apps.

 

Manko im Sport: fehlendes GPS

Der grösste «Show-Blocker» für Sportler ist aber, dass es bisher noch keinen Smart-Ring mit GPS gibt. Sie können also weder Ihre Laufstrecken mit einem Smart-Ring allein vermessen noch Geschwindigkeiten aufzeichnen, um diese zum Beispiel im Nachgang auf dem Smartphone auszuwerten.

Was können die Ringe aber dann? Im Grunde handelt es sich bei den Ringen um reine Datensammler, wie man es von Fitness-Armbändern kennt. Smarte Ringe messen mit der gleichen optischen Technik, die viele Sportuhren am Handgelenk verwenden, Puls und Blutsauerstoffsättigung oder schätzen den Blutdruck. Ausserdem sind Temperatur- und Bewegungssensoren verbaut. Aus den gemessenen Daten werden mit schlauen Algorithmen interessante Werte zu Gesundheit und Fitness gewonnen, etwa zu Schlafqualität, Stresslevel, Tagesform, Menstruationszyklus oder Kalorienverbrauch. Dazu wird die Schrittzahl erfasst, Bewegungsdauer und -intensität werden berechnet sowie die zurückgelegte Distanz geschätzt.

Die Smart-Ringe eifern damit eher den Fitness-Trackern und nicht den GPS-Uhren nach und sammeln rund um die Uhr Vitaldaten. Für das sportliche Training selbst sind die Smart-Ringe nur sehr sparsam ausgestattet. Was aber geht: Da Smart-Ringe über eine App verwaltet werden, lässt sich auf diesem Weg ein Training starten. Wer dann – wie wohl die meisten – das Smartphone zum Sport mitnimmt, kann dessen GPS zur Streckenaufzeichnung nutzen, die Werte werden dann in den Apps zusammengeführt.

Gemischte Messresultate

Wir haben uns verschiedene Ringe in der Praxis angesehen und mit Smartwatches und Sportuhren verglichen. Im Alltag, also dann, wenn man keinen Sport macht, messen die Ringe die Herzfrequenz meist solide. Zwar gibt es zwischen den Modellen kleine Differenzen, aber unter dem Strich ist man im gleichen Bereich unterwegs. Viele Hersteller geben auf ihren Webseiten auch die Ergebnisse von eigenen Labortests wieder, die dann meist eine hohe Genauigkeit bestätigen. Erwarten Sie aber keine Laborqualität. Die braucht es auch nicht, um zu erkennen, ob man wegen eines Infekts einen erhöhten Ruhepuls hat als gewohnt.

Schlechter werden die Ergebnisse, wenn man sich die Messungen während des Trainings anschaut. Auf Laufstrecken spucken die Garmins und Polars zwar auch nicht immer identischen Werte aus, aber aktuelle Sportuhren paaren gute Hardware mit ausgereiften Algorithmen und liefern solide Herzfrequenzkurven. Auch die Reaktionszeit bei Tempowechseln ist bei GPS-Uhren nur noch ein Kritikpunkt für ambitionierte Sportler, im Hobbysport ist die Verzögerung nicht wirklich relevant. Bei den smarten Ringen ist das allerdings anders, da muss man Aussetzer einkalkulieren und beim Training ergeben sich häufig markante Stufen in der Herzfrequenzkurve. Das liegt vermutlich am eingeschränkten Platz der Messfläche und am geringen Blutfluss bei den Fingern. Die Genauigkeit der Sensoren hat definitiv noch Luft nach oben.

Was gut funktioniert: Die wichtigsten Parameter bei der Schlafanalyse werden solide angezeigt. Die Schlafdauer, also Erfassung von Einschlaf- und Aufwachzeit, wird mit den Ringen zuverlässig aufgezeichnet. Mit der Interpretation der unterschiedlichen Schlafphasen ist es schon komplizierter, aber da tun sich auch Sportuhren sehr schwer. Wenn man die Werte verschiedener Modelle vergleicht, gehen die Ergebnisse wild durcheinander.

Kein Ersatz, sondern Ergänzung

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Im Alltag wie auch im Sport stellt sich die grosse Frage: Wie viele und vor allem welche Daten braucht es für ein gesundes Leben? Digitale Selbstvermessung in Form von Vitaldaten ist seit einigen Jahren allgemein ein grosser Boom. Und auch im Leistungssport haben Trainer und Sportler erkannt, dass beispielsweise eine optimale Regeneration ein wesentlicher Bestandteil des sportlichen Trainings darstellt, und da liefern Vitaldaten wertvolle zusätzliche Informationen. Auch für eine optimale (Sport)Ernährung können Daten wie der geschätzte Kalorienverbrauch hilfreich sein.

Voraussetzung dafür aber ist, dass die Wearables zur Messung der Vitaldaten lückenlos den ganzen Tag getragen werden sollten. Und das wiederum scheiterte in der Praxis oft bereits an der Akkulaufzeit. Während Sportuhren diesbezüglich klare Vorteile haben, ist es durchaus üblich, dass Smartwatches und auch das Smartphone am Abend zwingend an die Steckdose müssen. Hier springen die smarten Ringe in die Lücke, die meist eine Akkulaufzeit von mehreren Tagen mitbringen. Muss man die Uhr laden, lässt sich mit dem Ring weiter tracken. Die Hersteller positionieren ihre Ringe denn auch gar nicht als Alternative zu Smartwatch oder GPS-Uhr, sondern als Ergänzung.

Foto: AMAZFIT; ZVG

Am besten am Zeigfinger

Laut Herstellern sollen die Ringe am Zeigfinger getragen werden. Eine erste Hürde dafür ist, die richtige Passform zu finden. Die gängigen Produkte gibt es in mehreren Grössen. Die Hersteller bieten dazu meist Anleitungen, wie man mit Hilfe von Messband oder Papierstreifen das passende Ringmodell ermitteln kann.

Anbieter wie Oura oder RingConn bieten auch Probiersets mit Silikonringen, die man vorab kostenlos bestellen kann. Falls es die Möglichkeit gibt, raten wir, einen Smart-Ring vor dem Kauf zu probieren, denn nicht nur die Passform, sondern auch das subjektive Traggefühl ist wichtig. Die Ringe unterscheiden sich in Gewicht, Dicke und Form, manche sind eher scharfkantig, andere abgerundet. Der korrekte Sitz und eine ansprechende Optik sind wichtig, damit sich die Träger damit wohl fühlen und die Messungen möglichst genau funktionieren. Denn einfach das Armband nachstellen wie bei der Uhr, funktioniert mit einem Ring natürlich nicht. Er muss daher von Beginn weg richtig gut sitzen.

Bauweise als Limit

Die leichte Bauweise von Smart-Ringen stösst vorerst noch an klare Grenzen. Das Schlagwort dazu: die Integration von GPS. Derzeit scheint es nicht möglich zu sein, einen Smart-Ring mit integriertem GPS-Modul zu bauen. Das dürfte daran liegen, dass man dafür einen grösseren Akku bräuchte, der aber nicht ins Gehäuse passt oder den Ring zu schwer machen würde. Auch für Motoren, zum Beispiel für Vibrationsalarme, ist kein Platz.

Die Gehäuse von Sportuhren bieten hier deutlich mehr Raum. Und die Gleichung ist simpel: Je mehr Raum, desto mehr Technologie. Smart-Ringe können daher nur ein Bruchteil von dem, was Sportuhren und auch Smartwatches bieten, vor allem rund um den Sport. Ihr grosser Trumpf ist die kompakte und edle Bauweise.

Neue Geschäftsmodelle

Auffallend ist, dass viele grosse Namen von Sport- und Smartuhrenanbieter bei den Smart-Ringen fehlen. Samsung ist zwar kürzlich eingestiegen und bei Apple gibt es wie immer Gerüchte, dass auch sie daran arbeiten. Etabliert sind bislang eher spezialisierte Firmen wie Oura oder RingConn. Auch Garmin oder Polar bieten noch keine smarten Ringe an. Das Garmin-Management hat sich kürzlich zum Thema geäussert und sieht die Uhren wegen präziserer Messdaten und längerer Akkulaufzeit noch vor den Ringen. Lediglich der Tragkomfort spreche für einen Ring.

Eine derart deutliche Absage gibt es von Polar nicht. CEO Sander Werring äusserte sich in einem Interview zu Beginn des Jahres zwar nicht über konkrete Produkte, deutete aber an, dass man immer an neuer Hardware arbeite, die möglicherweise auch bei Drittanbietern verbaut werden könnte. Es ist anzunehmen, dass künftig noch mehr Anbieter von smarten Ringen auf den Markt kommen und auch renommierte Uhrenhersteller einsteigen.

Dabei wird mit verschiedenen Geschäftsmodellen experimentiert. Bei den meisten Anbietern ist es so, dass der Ring ein Einmalkauf ist. In Betrieb geht er mit einer passenden Smartphone-App, die wiederum auf die vorinstallierten Gesundheits-Apps von Apple und Google zugreifen möchte. Einige Anbieter, etwa Amazfit, liefern auch passende Sportuhren, welche die Funktionen des Rings ergänzen und dadurch zum Beispiel GPS-Aufzeichnungen ohne Smartphone möglich werden. Mit einem besonderen Geschäftsmodell versucht es Oura, dessen vierte Ring-Generation kürzlich auf den Markt gekommen ist. Da erhält man nur dann alle Daten zu sehen, wenn man zusätzlich ein Abo abschliesst. Ohne Abo lassen sich nur vereinzelte Funktionen nutzen.

Breites Preisspektrum

Die Preise der Smart-Ringe sind breit aufgefächert. Los geht es bereits um 50 Franken, etwa mit dem Novidarte Smart-Ring. Die meisten Ringe kosten zwischen 200-400 Franken. Es gibt aber auch Luxus-Ringe wie den Oura 4, den es in Varianten bis 550 Euro gibt. Für die Lieferung in die Schweiz wird dann noch ein Zuschlag verlangt. Die Verarbeitung ist hochwertig und der Ring trägt sich angenehm, auch wenn das geforderte Abo den Spass trübt. Um alle Daten nutzen zu können, sind jährlich über 70 Euro zusätzlich zu bezahlen.

Wer kein Abo will, aber in ähnlichem Umfang Daten messen möchte, könnte bei RingConn einen passenden Ring finden. Gute Akkulaufzeit, übersichtliche App und angenehmes Tragegefühl stehen auf der Habenseite. Der Amazfit Helio Ring bietet einen ähnlichen Funktionsumfang wie der Oura Ring 3 – und dies ebenfalls ohne Abo. Die App ist aber recht kompliziert aufgebaut, zudem stört, dass man aktuell nur vier verschiedene Aktivitäten starten kann. Das Traggefühl hingegen ist top.

Auch beim Ring Air von Ultrahuman ist kein Abo nötig. Das Design ist edel und leicht, der Ring ist bis 100 m wasserdicht und bringt nur 2,4 Gramm auf die Waage. Das Einrichten funktioniert problemlos und die App gibt zahlreiche Tipps und Ratschläge, um den Alltag zu optimieren.

Was bei allen Ringen gut ist: Sie sind einfach einzurichten, und wenn man sie einmal am Finger hat, denkt man nicht mehr an sie. Unauffälliger kann man Vitaldaten derzeit nicht messen.

Still und unauffällig

Fazit: Smart-Ringe sind komfortable und unauffällige Fitnesstracker, von den Funktionen her vergleichbar mit einem Fitnessarmband. Es handelt sich dabei um passive Geräte, ohne Display und ohne Funktionsknöpfe, Einsicht auf die Daten gibt es nur über die Smartphone-App. Derzeit gibt es noch keine Ringe mit GPS, sodass sich Strecke und Speed nicht aufzeichnen lassen. Ein Smart-Ring ersetzt daher keine Lauf- oder Sportfuhr und ist deshalb auch keine Alternative für begeisterte Läuferinnen und Läufer, zumal man doch ein paar hundert Franken investieren muss.

Die Ringe können für Sportler aber eine Lücke schliessen, wenn man eine Smartwatch oder GPS-Uhr besitzt, diese aber nicht immer tragen will oder kann, weil sie aufgeladen werden muss und man dennoch möglichst viele Daten sammeln und analysieren möchte. Smart-Ringe sind stille Tracker für den Alltag – und auch in der Nacht.

Wie genau man mit den erhobenen Daten umgehen soll und ob die daraus gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich zu einer Verhaltensveränderung führen, müssen die Nutzer für sich selbst herausfinden – ein steter Prozess.

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