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Wie schnell sich die verschiedenen Systeme im Körper nach einem Training oder Wettkampf komplett erholen, ist individuell sehr unterschiedlich. Eine kleine Übersicht.

«Die Beine hätten nach drei Wochen wieder gewollt, der Kopf aber erst nach drei Monaten», sagte eine Weltklasse-Marathonläuferin nach einem Marathon. Ihre Muskeln hatten sich relativ schnell wieder erholt angefühlt, ihr Hormon- und Immunsystem sowie ihr passiver Bewegungsapparat hingegen brauchten Monate.

Mit den neuen Karbonschuhen hat sich die Belastung auf den Bewegungsapparat nach einem Marathon zwar deutlich verringert, aber dennoch gilt: Wie schnell sich die verschiedenen Systeme im Körper nach einem Training oder Wettkampf komplett erholen, ist individuell sehr unterschiedlich. Die Zeitspanne reicht von ein paar Stunden (lockeres Training) bis zu mehreren Wochen oder gar Monaten (Ironman, Marathon). Neben der sportlichen Anforderung gilt es nach den biologischen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Leistungsniveau und Individualität zu differenzieren. Folgende Faktoren beeinflussen das Erholungsvermögen und die Erholungszeit:

Vor dem Training

• Zielsetzungen, Motivation
• Aktueller Erholungsstatus (z. B. nach intensiven Trainingseinheiten oder Wettkämpfen und deren Einfluss auf die Grundlagenausdauer sowie die Fettverbrennungskapazität
• Aktueller Ernährungsstatus nicht nur in Bezug auf die Glykogenspeicher im Muskel, sondern auch hinsichtlich aller essentiellen Nährstoffen wie Minerale, Vitamine, Spurenelemente, Pflanzenschutzstoffe, Aminosäuren und hochwertige Fette
• Konzentrationsvermögen/Fokussierung auf Training und den kommenden Wettkampf ohne zusätzliche Belastung durch Berufs- oder Privatleben (Stress?)
• Gezielter Aufbau über Monate ohne Störung des Aufbaus wegen Verletzungen, Krankheiten oder anderen Widerwärtigkeiten

Während des Trainings

• Intensität und Umfang des Trainings (Motivation, Durchhaltewillen, Biss)
• Temperatur und Luftfeuchtigkeit (Witterung)
• Bewegungstechnik
• Wie gewohnt oder ungewohnt war die Beanspruchung?
• Trainingsgelände (Bodenbeschaffenheit, Gefälle)
• Trainingszeit (früh morgens, spät abends)
• Trink- und Essverhalten

Nach dem Training

• Aktive- und passive Regenerationsmassnahmen (z.B. Auslaufen, Sprudelbad, Kältebäder, Massage)
• Schlafqualität und -quantität
• Trink- und Essverhalten

Zudem unterscheiden wir bei der Frage nach der Erholung auch, ob es sich bei einem Athleten um einen Einsteiger oder um einen Leistungssportler handelt. Während der Einsteiger deutlich mehr Regenerationszeit benötigt, kann sich der geübte Sportler schneller wieder belasten. Ebenfalls entscheidend: Wurde der Körper im Vorfeld gezielt an die Belastung herangeführt oder durch Intensität, Belastungsart und Dauer derselben überfordert? Die meisten kennen den hartnäckigen Muskelkater nach einer Bergwanderung und langem Bergablaufen. Das bedeutet aber nicht, dass Bergabwandern per se eine «ungesunde» Belastung ist, sondern dass sich Muskeln und Bewegungsapparat nicht daran gewöhnt waren.

Die «Gretchenfrage» nach Belastungen lautet immer: Wann ist der Körper wieder für die nächste Belastung bereit, wann ist zu früh, wann zu spät?  Die Kombination von Trainingseinheiten an ein- und demselben Tag ist beispielsweise nur erfahrenen Athleten vorbehalten. Grundsätzlich lassen sich intensive mit ruhigen Einheiten kombinieren, so zum Beispiel ein lockeres Auslaufen nach einem Maximalkrafttraining. Neben der Intensität sollte dabei auch die Dauer gering gehalten werden. Eine zu lange Ausdauereinheit mit vorermüdeten Muskeln verschlechtert die Lauftechnik bzw. die Bewegungstechnik und belastet die passiven Strukturen wie Bänder, Knorpel und Sehnen deutlich mehr. Umgekehrt gilt: Ein langes Ausdauertraining beeinträchtigt den Effekt des Krafttrainings, da durch die Vorbelastung nicht mehr genügend Energie zur Verfügung steht, die Muskeln voll auszubelasten.

Hobbysportler sollten daher eigenständige Trainingseinheiten mit genügend zeitlichem Abstand absolvieren, um auf Nummer sicher zu gehen. Oder für ein kombiniertes Ausdauer-Kraft-Training ein Stationentraining ausführen.

Lernen Sie die Reaktionen Ihres Körpers kennen!

Obwohl moderne Sportuhren mittlerweile bei jedem Training zahlreiche Daten sammeln und mittels ausgeklügelten Algorithmen dem Träger Regenerationsempfehlungen abgeben, die durchaus wertvolle Anhaltspunkte geben können, ist ein gewisses Mass an Trainingserfahrung und Körperwahrnehmung bei der Wahl der individuell optimalen Erholungszeit unerlässlich. Verlassen Sie sich nicht einfach auf ein Gadget, sondern versuchen Sie auch die Signale des Körpers wahrzunehmen und diese zu interpretieren.

Nicht zu früh mit dem nächsten Training zu beginnen, braucht ein gutes Körpergefühl, Mut, Wissen, Erfahrung und die Gewissheit, dass man in den Pausen besser wird (Superkompensation). Gerade ambitionierte Sportlerinnen und Sportler neigen dazu, zu viel zu machen. Je sensibler man versucht, während dem sportlichen Tun in seinen Körper hineinzuhören, desto ausgeprägter kann sich ein aussagekräftiges Körpergefühl entwickeln.

Die Geduld, die Grundlagenausdauer als Basis jeder Höchstleistung zuerst über Monate aufzubauen, um erst dann die nötigen intensiven Einheiten zu integrieren, ist ein entscheidender Baustein des Erfolges und Grundpfeiler für einen ausgeglichenen Erholungszustand.

Ein Sonderfall stellt der Wettkampf dar, denn je nach Motivation wird dieser mit maximalem Einsatz und entsprechend maximal belastend durchgeführt. Stellen sie sich nach harten Trainings oder einem Wettkampf deshalb die folgenden Fragen, bevor Sie wieder ins Training einsteigen:
• Fühle ich mich komplett erholt?
• Bin ich hundertprozentig gesund?
• Bin ich gut aufgelegt, voller Tatendrang und optimistisch?
• Bin ich voller Energie beim Aufstehen und motiviert für die nächste Trainingseinheit?
• Verspüre ich keinen Druck, trainieren zu müssen und macht das Training Spass?
• Kann ich den Aufbau in Ruhe und entspannt planen?
• Sehe ich meine Ziele klar vor mir?

Bei positiven Antworten auf diese Fragen können Sie sicher sein, dass die nötige Erholungszeit abgeschlossen ist. Ob das im Einzelfall Stunden, Wochen oder gar Monate dauert, weiss auch mit den heutigen Analysegeräten niemand ganz exakt und hängt vom Zusammenspiel der oben genannten Faktoren ab. Als Faustregel gilt: Es gibt nur wenige Athleten, die sich zu lange erholen, aber unzählige, die oft zu früh wieder zu intensiv trainieren.

Die ungefähren Erholungsphasen nach einer harten sportlichen Belastung

4-6 Minuten: Vollständiges Auffüllung der muskulären Kreatinphosphat-Speicher.

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30 Minuten: Die Herz- und Atemfrequenz, der Blutdruck und der Milchsäurespiegel im Blut haben sich normalisiert.

90 Minuten: Der Neuaufbau von zerstörtem Muskeleiweiss beginnt. Es erfolgt der Wechsel von abbauenden zu aufbauenden Stoffwechselvorgängen.

6-24 Stunden: In den ersten sechs Stunden erfolgt die erste Speicherfüllung (Kohlenhydrate, Eiweiss), der Ausgleich des Wasser- und des Elektrolythaushaltes (z.B. Magnesium und Eisen). Normalisierung des Verhältnisses fester und flüssiger Blutbestandteile (Hämatokrit).

24 Stunden: Auffüllung der Kohlenhydratspeicher in der Leber.

2-7 Tage: Auffüllen der Kohlenhydratspeicher in der beanspruchten und unter Umständen (teilweise) zerstörten Muskulatur.

3-5 Tage: Auffüllen der muskulären Fettspeicher.

3-10 Tage: Wiederherstellung allfällig defekter Muskelfasern.

7-14 Tage: Wiederherstellung der Energiebereitstellungssysteme in den Zellen. Allmählicher Wiedergewinn der vollen muskulären aeroben Leistungsfähigkeit.

7-21 Tage: Psychische Erholung.

4-8 Wochen: Abschluss der Regeneration nach einem Marathon oder einem Ironman.

Die zeitlichen Angaben sind Durchschnittswerte; sie variieren und sind abhängig von Dauer und Intensität der Belastung sowie der individuellen Leistungsfähigkeit. Wichtig ist unmittelbar nach einer Belastung das rasche Wiederauffüllen der Flüssigkeitsspeicher sowie eine kohlenhydrat- und eiweissreiche Ernährung in den Tagen danach. 

Regenerationsphase im Herbst

Für die meisten Ausdauersportler ist der Sommer die Hauptaktivitätszeit, der Herbst somit die ideale Zeit, um eine, zwei oder auch drei Wochen innenzuhalten und sich gesamtheitlich zu erholen. Diese allgemeine Regenerationsphase dient nicht nur der physischen Erholung, sondern in erster Linie auch der mentalen Erholung.

Dabei sollte man gar nicht oder nur wenig intensiv unterwegs sein, mit Alternativsportarten andere Bewegungsmuster pflegen oder auch einfach die Seele baumeln lassen und gar nichts  tun. So lassen sich die Batterien in jeder Hinsicht wieder auffüllen, damit beim Trainingsstart auf den Winter hin die Motivation gross ist und der Körper wieder Leistungen erbringen kann.

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