Die Geburt eines Kindes verändert so ziemlich alles im Leben einer Frau, unter anderem auch ihre sportliche Leistungsfähigkeit. Die wichtigsten Punkte, die dafür verantwortlich sind – und wie Frau damit umgehen kann.
Die Geburt eines Kindes ist zweifellos eine der bedeutendsten Veränderungen im Leben einer Frau. Insbesondere für aktive Frauen, die das Laufen als Teil ihres Lebens geniessen, kann die Rückkehr zur gewohnten Laufperformance nach der Geburt zur Herausforderung werden. Sieben wichtige Punkte, die sportliche Jungmütter nach einer Geburt speziell beachten sollten.
1. Erschöpfung
Schlafmangel ist eine der grössten Herausforderungen für neue Mütter, insbesondere in den ersten Monaten nach der Geburt. Schlafmangel kann nicht nur die Laufleistung beeinträchtigen, sondern auch das Risiko von Verletzungen erhöhen. In dieser Zeit ist es wichtig, ehrlich mit sich zu sein und allenfalls professionelle Unterstützung anzunehmen, um realistische Trainingsziele zu setzen und die Wichtigkeit von Ruhephasen zu erkennen. Manchmal ist zusätzlicher Schlaf für die Leistung und Gesundheit wichtiger als ein reingezwängtes Training im übermüdeten Zustand.
Tipps:
- Priorisieren Sie den Schlaf und versuchen Sie, so viel Erholung wie möglich zu bekommen.
- Nutzen Sie kurze Pausen, um einen Powernap zu machen, wenn das Baby schläft, oder holen Sie sich Unterstützung.
- Passen Sie das Training ans Energielevel an und stellen Sie sicher, dass der Körper ausreichend Zeit zur Regeneration hat.
2. Haltung
Schwangerschaft inklusive Geburt können zu Veränderungen in der Körperhaltung führen, die sich auf die Lauftechnik und Laufperformance auswirken können. Die sogenannte «Mom-Posture» ist gekennzeichnet durch nach vorne gerundeten Schultern und einen vorstehenden Bauch, ein häufiges Phänomen bei Frauen nach der Schwangerschaft.
Besonders das Stillen verstärkt diese Haltungsanpassungen zusätzlich. Zudem verschiebt sich der Körperschwerpunkt in der Schwangerschaft nach vorne, was zu einer erhöhten Belastung der unteren Rücken-, Hüft- und Beinmuskulatur führt. Die Krümmung der unteren Wirbelsäule (Lendenlordose) nimmt oft zu, bedingt durch das zusätzliche Gewicht des Babys während der Schwangerschaft. Zusätzlich kommt es durch die Schwangerschaft oft zu einer gekippten Beckenstellung, die postpartal aufgrund geschwächter Bauchmuskeln und gedehnter Bänder bestehen bleiben kann.
Die Korrektur von Haltungsfehlern nach der Geburt ist nicht aus optischen Gründen zwingend, sondern entscheidend für die Vermeidung von Rückenschmerzen, Nackensteifigkeit und Schulterverspannungen. Frühzeitige Behandlung dieser Probleme kann nicht nur sofortige Linderung bringen, sondern auch langfristige gesundheitliche Komplikationen verhindern.
Tipps:
- Fügen Sie zum Trainingsplan gezielte Kraftübungen hinzu, um muskuläre Dysbalancen auszugleichen und das Verletzungsrisiko zu reduzieren.
- Konzentrieren Sie sich dabei auf Übungen, welche die Beckenbodenmuskulatur, Rumpf und Beine stärken und die Stabilität verbessern.
- Achten Sie beim Laufen bewusst auf die Haltung und versuchen Sie, eine aufrechte Position beizubehalten, um Schmerzen zu vermeiden.
3. Hormonelle Veränderungen
Schwangerschaft, Geburt und postpartale Zeit sind geprägt von einer eindrücklichen Hormon-Achterbahn. Das erklärt auch, wieso sich Frauen in dieser Zeit oft nicht wie sich selbst fühlen. Die wichtigsten Hormone in dieser Zeit sind Oxytocin, Östrogen, Progresteron, Relaxin und Prolaktin. Auch wenn alle Hormone in dieser Zeit eine bedeutende Rolle einnehmen, hat das Relaxin den grössten Einfluss hat auf postpartale Läuferinnen.
Relaxin hilft, die Muskeln, Knochen, Bänder und Gelenke im Beckenbereich später in der Schwangerschaft zur Geburtsvorbereitung zu erweichen und zu entspannen. Relaxin macht zudem den Gebärmutterhals weicher und länger. Einer der Nachteile ist jedoch, dass sich die Muskeln schwächer anfühlen können und einige Frauen während der Schwangerschaft Becken- und Kreuzschmerzen bekommen. Obwohl der Relaxinspiegel nach der Entbindung deutlich sinkt, bleibt er noch einige Monate lang erhöht (verschiedene Quellen schätzen, dass es zwischen fünf und zwölf Monaten dauert, bis sich der Relaxinspiegel wieder normalisiert), was sich weiterhin auf den Körper auswirken kann.
Bei stillenden Frauen bleiben die Relaxinwerte höher als vor der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit. Die erhöhten Werte können dazu führen, dass die Bänder locker bleiben, was zu einem erhöhten Risiko von Schmerzen und Verletzungen im postpartalen Zustand beitragen kann.
Durch den Einfluss der Hormone kann sich zudem das Fussgewölbe abflachen. Das führt dazu, dass alte Laufschuhe nach der Geburt möglicherweise nicht mehr passen und zu klein werden. In den meisten Fällen kehren die Fussgewölbe nach der Schwangerschaft wieder zu ihrer ursprünglichen Form zurück, sobald sich die Hormonspiegel normalisieren.
Tipps:
- Beginnen Sie langsam mit dem Wiedereinstieg und steigern Sie Intensität und Dauer Schritt für Schritt, um sich an die Veränderungen anzupassen.
- Achten Sie auf Anzeichen von Überlastung oder Schmerzen und gönnen Sie sich bei Bedarf Pausen für die nötige Erholung.
- Investieren Sie wenn nötig in neue und hochwertige Laufschuhe, die den veränderten Fussbedürfnissen gerecht werden und ausreichend Dämpfung und Stabilität bieten. Am besten lassen Sie sich im Fachgeschäft beraten.
4. Stillen
Das Stillen bringt für sportliche Mütter besondere Herausforderungen mit sich. Der Energiebedarf ist durch das Stillen ohnehin erhöht, dazu kommt der zusätzliche Energiebedarf bei körperlicher Aktivität. Dies kann das Risiko eines Energiedefizits erhöhen, was negative Auswirkungen haben kann. Gleichzeitig steigt durch das Stillen das Verletzungsrisiko, da die Hormone die Gelenke weicher machen.
Die Haltung beim Stillen kann ausserdem dazu führen, dass Muskeln verkürzt werden und Schmerzen entstehen. Während der Schwangerschaft und Stillzeit kann die Brust um mehrere Körbchengrössen zunehmen, wodurch der vorherige Sport-BH möglicherweise nicht mehr passt. Die Wahl des optimal passenden Sport-BHs kann daher die Laufperformance beeinflussen. Da sich die Brust während der Stillzeit weiter verändern kann, ist es möglicherweise sinnvoll, mehrere BHs anzuschaffen.
Tipps:
- Investieren Sie in einen gutsitzenden Sport-BH, der ausreichend Halt bietet und das Risiko von Brustschmerzen und Beschwerden während des Trainings reduziert.
- Nehmen Sie bei Haltungsschmerzen die Hilfe einer Stillberaterin oder Hebamme in Anspruch, sie kann gute Stillpositionen zeigen. Eine Physiotherapie kann Übungen zeigen, um Haltungsveränderungen entgegenzuwirken.
- Achten Sie darauf, ausreichend Flüssigkeit und Nährstoffe zu sich zu nehmen, um den erhöhten Energiebedarf durch das Stillen zu decken. Das Risiko von RED-S (relatives Energiedefizit) ist für postpartale Sportlerinnen hoch, vor allem wenn sie ambitioniert trainieren.
5. Rumpfstabilität
Viele sportliche Frauen sehen sich nach der Geburt mit dem Beckenboden konfrontiert, doch in Wahrheit ist die Thematik etwas komplexer. Der Beckenboden ist stark belastet: Der wachsende Fötus übt Druck auf den Beckenboden aus, wodurch die Muskeln in diesem Bereich geschwächt werden können. Auch Frauen mit Kaiserschnitt haben einen geschwächten Beckenboden und sollten diesen unbedingt wieder aufbauen, wobei natürlich eine vaginale Geburt eine zusätzliche Belastung ist. Der Schlüssel für das Thema postpartales Lauftraining liegt aber im gesamten Rumpf-Bereich unseres Körpers. Der «Core», wie er auch oft genannt wird, besteht aus verschiedenen Muskelgruppen.
Man kann sich den Rumpf wie ein Haus vorstellen: Das Dach ist das Zwerchfell, der Boden des Hauses sind die Beckenbodenmuskeln (am unteren Ende des Beckens), und die Wände sind die Bauch- und Rückenstabilisationsmuskeln. Nach der Geburt haben die meisten Frauen eine geschwächte Rumpfmuskulatur, da die Schwangerschaft und die Geburt die Muskeln und Bänder im Rumpfbereich stark beansprucht haben. Die Muskelgruppen des Rumpfs arbeiten zusammen, um Stabilität und Bewegungsfähigkeit im gesamten Körper zu gewährleisten und sind entscheidend für die Ausführung von Bewegungen in Sportarten und Alltagsaktivitäten.
Tipps:
- Eine aufrechte Haltung hilft, den Beckenboden zu entlasten und zu stärken. Verwenden Sie beim Heben und Tragen schwerer Gegenstände die richtige Technik und beugen Sie die Knie und halten den Rücken gerade, um den Druck auf den Beckenboden zu minimieren.
- Gezielte Übungen zur Stärkung des Rumpfbereichs sind wichtig, um die Muskeln und Bänder nach der Schwangerschaft zu stabilisieren und zu stärken. Spezifische Beckenbodenübungen stärken die Muskeln im Beckenboden und vermeiden Harninkontinenz sowie andere Beschwerden.
- Im Alltag tragen das Sitzen und Stehen mit geradem Rücken und das Vermeiden von langem Sitzen oder Stehen in einer Position dazu bei, die Rumpfmuskulatur zu stärken und die Wirbelsäule zu entlasten.
6. Die Suche nach der «perfekten» Mutter
Für die meisten Frauen markiert die Geburt ihres ersten Kindes den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Die Forschung zeigt, dass bereits während der Schwangerschaft Anpas sungen im weiblichen Gehirn stattfinden, die langfristige Veränderungen mit sich bringen. Diese strukturellen Veränderungen betreffen Bereiche, die mit mütterlicher Fürsorge, Belohnung, Aufmerksamkeit, emotionaler Regulierung und sozialer Kognition verbunden sind. Obwohl diese Veränderungen wichtig sind, um das Überleben des Babys zu sichern, können sie für aktive Frauen herausfordernd sein. Viele Frauen erleben nach der Geburt ihres ersten Kindes Emotionen, die sie zuvor in diesem Ausmass nicht gekannt haben. Sie könnten sich in ihrer neuen Rolle als Mutter verloren fühlen und Unsicherheit in Bezug auf ihren veränderten Körper verspüren. Insbesondere aktive Frauen, die sich nach der Geburt eingeschränkt fühlen, haben oft mit Identitätsproblemen zu kämpfen und fragen sich, wer sie sind, wenn sie nicht laufen oder sportlich aktiv sein können.
Häufig steht auch das Ideal der «guten» Mutter im Konflikt mit der als «egoistisch» betrachteten sportlichen Tätigkeit, Zeit für sich selbst zu nehmen und zu laufen, anstatt sich aus- schliesslich um das Kind zu kümmern. Wichtig ist es, sich regelmässig zu reflektieren. Für manche Frau kann es stimmig sein, sich mehr der Familie zu widmen und Prioritäten neu zu orten, während für andere der Sport einen grossen Halt bedeutet.
Tipps:
- Nehmen Sie sich bewusst Zeit für sich und Ihre sportlichen Aktivitäten. Anerkennen Sie, dass Selbstfürsorge wichtig ist, um Ihre Bedürfnisse zu erfüllen und ein gesundes Gleichgewicht zwischen Mutterschaft und persönlicher Entwicklung zu finden.
- Suchen Sie nach emotionaler Unterstützung bei Freunden, Familie oder einer pro-fessionellen Beratung, wenn Sie sich über- fordert fühlen oder Schwierigkeiten haben, mit den Herausforderungen der Mutterschaft umzugehen.
7. Zeitmanagement
Die Pflege eines Neugeborenen beansprucht viel Zeit und Energie. Vor dem Kind war es leicht, in einer freien Stunde einfach die Laufschuhe zu schnüren und loszurennen. Nach der Schwangerschaft kann das Zeitmanagement ein grosses Hindernis darstellen durch die Planung von Stillmahlzeiten und Herausforderungen der Kinderbetreuung. Der emotionale Stress wird oft als Hürde für die Rückkehr zum Sport genannt. Die plötzliche Verantwortung für ein kleines Wesen, das ständig Aufmerksamkeit erfordert, die Vielzahl von Gedanken und die begleitenden Schuldgefühle können es schwierig machen, Zeit für sportliche Betätigung zu finden, selbst wenn man sich dies vor der Schwangerschaft fest vorgenommen hatte.
Tipps:
- Planen Sie die Trainingseinheiten im Vor- aus. Nutzen Sie kurze Zeitfenster effektiv und fokussieren Sie sich auf die wichtigsten Trainingsziele.
- Suchen Sie nach Möglichkeiten, um Training und Kinderbetreuung zu kombinieren, z. B. durch das Laufen mit einem Kinderwagen oder das Einbeziehen des Partners, anderer Familienmitglieder oder von Freunden.
- Üben Sie sich in Flexibilität und Gelassenheit, denn es ist nicht immer möglich, einen festen Zeitplan einzuhalten.
Melanie Weilenmann hat sich beruflich aufs Thema Laufen und Frauen spezialisiert und bietet Beratungen und Trainingsplanungen rund ums Thema hormonelle Gesundheit und Mutterschaft an. www.melanieweilenmann.com oder auf Instagram unter melanie.weilenmann

























