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Die Ernährung beeinflusst unsere Gesundheit, darüber besteht kein Zweifel. Doch die Suche nach dem Weshalb und Wie war lange nicht richtig erfolgreich. Nun klärt sich das Bild immer stärker auf. Ein Hauptproblem sind bestimmte Fertigprodukte. Was bedeutet das für die Sporternährung?

Die klassischen Empfehlungen zur Ernährung sind uns allen bekannt. Wir essen zu viel Fett, insbesondere gesättigte Fettsäuren, zu viel Zucker und zu salzig. Diese Nährstoffe bilden auch die Basis der heiss diskutierten Lebensmittelampel Nutri-Score. Je mehr davon in einem Lebensmittel enthalten sind, umso ungesünder gilt das Lebensmittel.

Diese auf einzelne Nährstoffe fokussierende und immer noch anhaltende Beurteilung der Lebensmittel ist ein wesentlicher Grund, weshalb man den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen hat. Natürlich sind die einzelnen Nährstoffe für die Wirkung der Ernährung auf den Menschen von Bedeutung. Aber es sind mittlerweile zu viele Versuche gescheitert, Krankheiten direkt auf die Einnahme einzelner Nährstoffe zurückzuführen. Die Ergebnisse entsprechender Studien sind oft widersprüchlich oder die beobachteten Zusammenhänge kaum der Rede wert. Betrachtet man eine Ernährungsweise aber gesamthaft als Einheit und berücksichtigt man vor allem, wie die einzelnen Lebensmittel verarbeitet sind, so sieht man auf einmal eindeutige Zusammenhänge zu den Krankheiten.

Fortschritt in die Sackgasse

Zu Beginn der 1950er-Jahre entsteht in den USA eine neue Art von Produkten. Vorverpackte Mahlzeiten, die nur noch aufzuwärmen sind. Ihr wesentlicher Vorteil liegt auf der Hand: Sie sind sehr schnell essensfertig zubereitet. Ein Nachteil ist, dass solche Fertigprodukte schnell verderben können. So ist geschnittenes Gemüse weniger lange haltbar als ungeschnitten. Auch der Geschmack verarbeiteter Lebensmittel kann schneller abbauen als bei unverarbeiteten Lebensmitteln. Und manchmal muss man bei der Konsistenz eines Fertigprodukts, zum Beispiel einer Sauce, etwas «nachhelfen», damit das Produkt appetitlich aussieht.

Für die Industrie stellte sich daher schnell die entscheidende Frage, wie man Fertigprodukte in einer ansehnlichen Form und ohne geschmackliche Verluste lange haltbar macht. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einsatz technologischer Verfahren wie eine starke Erhitzung, aber auch die Beigabe von (noch) erlaubten Zusatzstoffen wie Süssungsmittel, Konservierungsstoffe, Trennmittel oder Emulgatoren. Das Schweizer Gesetz kennt aktuell sage und schreibe 27 (!) verschiedene Klassen solcher Stoffe.

Der industrielle Fortschritt bei der Verarbeitung von Lebensmitteln wird zum vollen wirtschaftlichen Erfolg. Es entstehen immer mehr neue Fertigprodukte wie Chicken Nuggets oder Kekse aus raffiniertem Mehl, die mit Zusatzstoffen beladen sind. Viele davon erfahren während der Produktion eine intensive Verarbeitung, zum Beispiel eine technische Extrusion bei hohen Temperaturen und hohem Druck, und oft erfolgt der Einsatz diverser Zusatzstoffe. Deswegen nennt man diese Produkte im englischen UPF, Ultra-processed food products. Nur: Der industrielle Fortschritt der UPF führt direkt in eine gesundheitliche Sackgasse.

UPF – nein danke

Der Grund: Um das Jahr 2000 herum beginnen sich die Indizien zu verdichten, dass der Verarbeitungsgrad eines Lebensmittels mit der Entstehung von Krankheiten einhergeht. Im Jahr 2009 erschaffen Forschende daher ein System, mit dem man die Lebensmittel und Lebensmittelprodukte gemäss dem Grad ihrer Verarbeitung einstuft: die NOVA-Klassifizierung.

Zu Beginn haben selbst manche Fachleute die Bedeutung der NOVA-Klassifizierung nicht verstanden. Heute gilt eine Fachperson als überholt, wenn sie die Ernährung ohne Berücksichtigung der Verarbeitung der Lebensmittel beurteilt – und sie nicht vor den UPF warnt. Auch wenn der exakte Mechanismus noch nicht eindeutig ist, so steht ein steigender Konsum von UPF im direkten Zusammenhang mit Übergewicht, Adipositas, Diabetes, Depression, dem metabolen Syndrom sowie der Gefahr, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder generell an einer Krankheit verfrüht zu sterben. Diese Erkenntnisse stammen aus weltweit durchgeführten Studien und sind robust.

Auch für die Schweiz mehren sich die entsprechenden Erkenntnisse. So beträgt bei uns bei hohem Konsum von UPF die Gefahr, massives Übergewicht zu entwickeln, konkret das 3.3-fache wie bei geringem Konsum von UPF. Als Vergleich: Bei den erwähnten Fetten oder gesättigten Fettsäuren sieht man bei hohem Konsum entweder gar keine erhöhte Gefahr für Erkrankungen oder nur ein minimales und komplett vernachlässigbares Risiko.

Was genau sind UPF?

Die englische Bezeichnung «Ultra-processed food products» beinhaltet zwar das Wort Food, aber immer mehr Fachleute scheuen sich davor, diese Produkte als Lebensmittel einzustufen. Viele UPF sind oft derart stark verarbeitet, mit Zusatzstoffen versehen oder so weit weg vom ursprünglichen Lebensmittel, dass die Bezeichnung Lebensmittel als täuschend einzustufen ist.

Konkret handelt es sich bei den UPF um «Gemische von Zutaten, die meist ausschliesslich industriell verwendet und durch eine Mehrzahl an industriellen Techniken und Verfahren hergestellt werden». Beispiele sind Sachen, die jeder von uns kennt: Süssgetränke; süsse, fettige oder salzige verpackte Snacks; Süssigkeiten; industriemässig hergestelltes und abgepacktes Brot, Guetsli, Kuchen und Backmischungen; Margarine und andere, pflanzenbasierte Aufstriche; gesüsste Frühstücksflocken, Fruchtjoghurts sowie Energy-Drinks; fix-fertige Fleisch-, Käse-, Nudel- und Pizzagerichte; Geflügel- und Fisch-Nuggets; Würstchen, Burger, Hot Dogs und andere Fleischwaren; pulverisierte und verpackte Instant-Suppen, Nudeln und Desserts – und als jüngste Vertreter der UPF viele pflanzliche Ersatzprodukte für Fleisch, Milch oder Käse.

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Konsum an UPF steigt

In der Schweiz betrug der Konsum an UPF bereits vor knapp zehn Jahren bei den Erwachsenen etwas mehr als 25 Prozent ihrer Kalorien. Wir stehen damit noch nicht so katastrophal da wie die USA mit einem Anteil von fast 60 Prozent der Kalorien aus UPF. Aaber der Konsum an UPF steigt auch bei uns stetig und die negativen Auswirkungen sind schon bei einem relativ geringen Anteil sichtbar.

Doch wie erkenne ich Ultra-processed food products? Nicht alle Fertigprodukte sind stark verarbeitet. Deswegen ist es nicht fair, generell vor Fertigprodukten zu warnen. Ohne Ausbildung in Lebensmitteltechnologie weiss man aber kaum, welche Produktionsprozesse ein Produkt durchlaufen muss. Fachleute nutzen daher einfache Faustregeln.

Faustregel: Fünf oder mehr

Die Prüfung der Zutatenliste eines Produkts gibt häufig Aufschluss darüber, ob es übermässig verarbeitet ist oder nicht. Sind fünf oder mehr Zutaten aufgelistet und verwenden wir mindestens eine davon nicht in der Küche, so handelt es sich meist um ein UPF. Die Hersteller haben aber von der Faustregel Wind bekommen und werben neuerdings mit einer geringen Anzahl an Zutaten. Da hilft eine zusätzliche Faustregel: Wenn das ursprüngliche Lebensmittel oder die genutzte Zutat kaum zu erkennen ist, handelt es sich oft um ein UPF. Sieht Fleisch nicht mehr aus wie bei einem Filet, sondern ist es klein gehackt und mit diversen Stoffen verwurstet, ist es ein UPF. Wurde aus der Erbse das Protein extrahiert, dieses mit weiteren Zutaten vermengt und kommt das Produkt schliesslich als Wurst daher, handelt es sich ebenfalls um ein UPF.

Worunter fällt Sport-Food?

Für Sportler stellt sich die Frage, wie es bei spezifischem Sport-Food aussieht. Die Einstufung nach dem Verarbeitungsgrad gilt für alle Lebensmittel. Somit können auch Sportnahrungsmittel oder andere funktionelle Spezialnahrungsmittel wie ein Mahlzeitersatz zur Gewichtskontrolle UPF sein. Dies bedeutet aber wie bei den Fertigprodukten nicht automatisch, dass alle Sportnahrungsmittel als UPF einzustufen sind.

Im Gegensatz zu den Lebensmitteln für die Basisernährung dient Sportnahrung dem spezifischen Zweck des Sporttreibens. Sportnahrung kommt speziell dann zum Einsatz, wenn die Einnahme von ursprünglichen Lebensmitteln nicht praktikabel ist. Beim intensiven Biken zwecks Einnahme von Flüssigkeit und Kohlenhydraten eine Orange zu essen, ist weder praktisch noch optimal. Ein Sportgetränk hingegen erfüllt hier seinen Zweck – auch wenn es ein UPF ist.

Im Kontext des Sports dürfen wir zudem einen weiteren Aspekt nicht vergessen. Die regelmässige körperliche Aktivität bringt dermassen viele Vorteile für die Gesunderhaltung mit sich, dass man kurzfristig gegenüber «ungesunden» Verhaltensweisen durchaus toleranter sein darf. Wenn Sporttreibende nicht rauchen, nicht gestresst sind und ausreichend schlafen, darf man das eine oder andere UPF wie ein Sportgetränk tolerieren. Konsumieren Sporttreibende aber auch in der Freizeit hauptsächlich Sportnahrung, also fast nur Sport- und Erholungsgetränke, gezuckerte Energieriegel und Proteinshakes, allenfalls noch ergänzt mit einer Palette an Supplementen, dann machen sich die fehlenden, ursprünglichen Lebensmittel der Basisernährung sicher auch bei Sporttreibenden bemerkbar.

Eine Frage der Prioritäten

Wer in der Basisernährung die beiden Faustregeln «maximal fünf Zutaten» und «ursprüngliches Lebensmittel noch erkennbar» befolgt, ist bereits auf gutem Weg. Gepaart mit den einfachen und bekannten Empfehlungen, die Lebensmittel saisonal und regional in möglichst grosser Vielfalt zu wählen, sind wir bei einer gesunden Ernährung wie zu Grossmutters oder – für die Jüngeren unter uns – zu Urgrossmutters Zeiten.

Je stärker im Sport die maximale Leistungsfähigkeit im Vordergrund steht, umso mehr sind wir auf eine gezielte und unmittelbare Zufuhr einzelner Nährstoffe angewiesen. Der Anteil an UPF in der Ernährung steigt dann automatisch an.

Liegt der Fokus im Sport auf Fitness und Gesunderhaltung, kommt man mit ursprünglichen Lebensmitteln gut über die Runden. Ein Ausdauertraining von bis zu zwei Stunden übersteht man problemlos «nur» mit Wasser, auch wenn bei hoher Intensität und warmen Temperaturen ein Sportgetränk optimaler ist. Und für die Erholung danach funktioniert auch ein Mix an Protein- und Kohlenhydratquellen in den nachfolgenden Hauptmahlzeiten. Die Erholung dauert dann einfach ein bisschen länger als beim gezielten Einsatz von Erholungsgetränken.

Somit ist es im Sport eine reine Frage der eigenen Priorität. Wer die Leistung optimieren will, ist punktuell mit Fertigprodukten besser bedient. Wer den Blick auf die Gesunderhaltung richtet, kann getrost die Finger von Fertigprodukten und UPF lassen.

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