Bildquelle: ©Egelmair Photography / Zenit

Wenn sich Industrie und Tourismus hinter einen Sport-Trend klemmen, wird daraus nicht selten eine etablierte Sportart. Genau das soll nun mit dem Trailrunning geschehen. Zudem in diesem Artikel: ein 32-seitiges Trailrunning-Dossier zum Herunterladen.

Trailrunning ist in aller Munde und es vergeht als Sportredaktion kaum ein Tag, wo nicht eine Outdoorfirma entweder ihre neue Trailrunningkollektion anpreist oder als bisheriger Bekleidungsspezialist ihren Schuheinstieg in die Sparte Trailrunning bekanntgibt. Der Markt ist auf den Trail eingespurt – und scheint grenzenlos.

Fast die halbe Schweiz joggt

Tatsächlich befindet sich der Laufsport allgemein in der Schweiz im Hoch, wie die Zahlen einer GfK-Umfrage zeigen, die während der Pandemie von der «Swisspo – Fachstelle Sportartikel Schweiz» in Auftrag gegeben wurde und 2022 erschienen ist. Die repräsentative Umfrage belegt, dass 48 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer joggen. Überraschend: Der Anteil der Personen, die täglich joggen gehen, hat sich in den letzten drei Jahren vervierfacht. Für viele steht dabei aber nicht der Leistungsaspekt im Vordergrund, sondern der Gesundheits- und Fitnessgedanke.

Laufen ist simpel, effizient – und tut gut. Rennen kann man überall und jederzeit, es braucht kaum Infrastruktur und nur minimale Ausrüstung, kleine Wege und Pfade finden sich immer, egal, ob im Flachland oder in den Bergen. Diese Unabhängigkeit nimmt die Sparte Trailrunning perfekt auf. Zudem verkörpert Trailrunning den (neuen) Zeitgeist der Naturnähe optimal. Kein anderer Sport ist so naturverbunden und wirkt derart ganzheitlich auf Körper und Geist.

Zuwachs bei Laufschuhen

Der Höhenflug wirkt sich direkt auf die Umsatzzahlen bei den Laufschuhen aus, der 2021 auf rund 153 Millionen Franken angestiegen ist. Zum Vergleich: 2016 lag der Umsatz für Laufschuhe allgemein in der Schweiz noch bei rund 127 Millionen Franken. Vor allem zugelegt hat die Sparte Trailrunning. 2021 ist der Umsatz des Verkaufs von Trailrunning-Schuhen um 14 Prozent gestiegen, zwischen 2016 und 2021 betrug der Anstieg gar beeindruckende 33 Prozent. Wobei nicht immer ganz klar ist, welche Laufschuhe von den Herstellern als Trailrun­ningschuhe deklariert werden.

Auch medial ist die «neue Sportart» angekommen. Zeitungen, Zeitschriften und Online-Portale versteigen sich in Lobpreisungen, was Trailrunning gesundheitlich alles bewirken kann, und als weiterer potenter Player interessieren sich immer mehr Tourismusregionen mit speziellen Tourenvorschlägen und Kartenmaterial brennend für die neue Zielgruppe.

FIT for LIFE hat deshalb jüngst in Zusammenarbeit mit «graubünden Trailrun» ein Dossier produziert, welches das Trailrunning im Kanton Graubünden thematisiert. Das Dossier kann hier gelesen und heruntergeladen werden: Trailrunning-Dossier-2023

Auch Hotels setzen auf die neue Kundschaft, jüngst wurde mit dem Label «Swiss Trailrunning Hotel» (www.swisstrailrun­ninghotel.ch) unter dem Patronat von Swiss Athletics bzw. Swiss Running eine Plattform für sportaffine Hotelbetriebe sowie laufsportbegeisterte Gäste geschaffen. Entsprechende Hotels zeichnen sich unter anderem mit Wäscheservice, Lunchpaketen, Duschmöglichkeiten auch am späteren Abreisetag sowie Infos zu Trailrunning-angeboten in der Region aus.

Die Sportler freuts, sie werden umsorgt, haben die Wahl, bei welchen landschaftlich atemberaubenden Trailruns sie starten möchten – deren Zahl rasant am Wachsen ist, wie folgender FIT for LIFE-Artikel zeigt >  Trailrunning-Events-4.2023.

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Berechtigte Euphorie

Die Euphorie ist gerechtfertigt. Trailrunning ist eine äusserst vielseitige Sportart, die Infrastruktur in der Schweiz mit dem dichten Wanderwegnetz fantastisch und bereits überall vorhanden, und das Konfliktpotenzial mit anderen Sportlern ist verschwindend klein. Als Läufer schlüpft man überall durch und erschrickt im Gegensatz zu den Bikern keine Wanderer.

Diese gehören neu ohnehin ebenfalls zu den Trailrunnern, denn die Grenzen ver­fliessen zunehmend. Wandern, Speed-Hiking, Running: ein Wanderer ist auch eine Hikerin ist auch ein Trailrunner – während einer oder zwei Stunden Bewegung vielleicht gar alles in einem. Trailrunning als Wandern Plus?

Ja klar, obwohl, neu ist das nicht. Zuerst musste das Trailrunning aber scheinbar vergessen gehen, bevor es jetzt wiederentdeckt wird. Trailrunning gibts schon ewig, vor 10000 Jahren liefen die Menschen als Jäger und Sammler kilometerweit offroad ihrer Beute hinterher. Wer nicht so weit zurückblicken mag: Erste Crossläufe über Wiesen, Sand und durch aufgeweichten Boden fanden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt.

Mit den flachen Böden und der unendlichen Mobilität der modernen Gesellschaft verschwand das ursprüngliche Laufen auf unebenem Untergrund zunehmend. Und heute tun wir im Alltag fast alles, um das Laufen zu vermeiden, jüngst haben wir auch noch die allerletzten Meter zum Arbeitsort mit dem E-Trotti erschlossen.

Back to the Roots

Trailrunning steht für die Renaissance des ursprünglichen Laufens und ist eine perfekte Gesundheitssportart. Beim Laufen auf grobem Untergrund und über Stock und Stein muss man in der Lage sein, seinen ganzen Körper zu stabilisieren, damit man Wurzeln und Steinen ausweichen kann. Dadurch werden mehr und andere Muskelgruppen beansprucht als beim normalen Laufen. Und selbst der Kopf wird trainiert, damit man auf unebenen Pfaden mit vielen Richtungsänderungen und Hindernissen ohne Stolpern über die Runden kommt.

Dass das ursprüngliche Laufen heute aber keine Selbstverständlichkeit mehr ist, zeigt der Umstand, dass vielerorts Kurse angeboten werden, die das Trailrunning von Grund auf vermitteln.

Das kann sich nur dann ändern, wenn künftige Generationen das Laufen wieder als das entdecken, was es ist: Als die natürlichste und erstaunlich effiziente Fortbewegung aus eigener Kraft, die spielerisch ausgeübt alle Sinne sowie Körper und Geist stärkt. Dann wird nicht der «Ultra-Trail» als sportliche Herausforderung zum Sehnsuchtsziel, sondern der «Genuss-Trail» vor der Haustüre im gelebten Alltag. Und dann ist es auch keine ausserordentliche sportliche Leistung mehr, eine oder zwei Stunden rennen zu können, sondern eine Grundfitness, für die der Mensch grundsätzlich gebaut und bestens ausgerüstet ist.

Das gilt es von Klein auf zu fördern und vor allem: vorzuleben. Unsere wunderba­re Schweiz eignet sich perfekt fürs Trail­running, und wers ausprobiert und genügend motiviert ist, wird begeistert sein. Doch Abkürzungen gibt es keine, Laufen muss man schon selbst, denn (zum Glück) ist Trailrunning als Urform menschlicher Fortbewegung ehrlich und transparent – und auch künftig anders

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