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Der Marathonlauf ist eine der anspruchsvollsten Ausdauersportarten und erfordert nicht nur intensives Training, sondern auch eine durchdachte Ernährungsstrategie. Eine optimale Verpflegung kann am Renntag den entscheidenden Unterschied ausmachen.

Wer schon einmal einen Marathon gelaufen ist, weiss: Die letzten zehn Kilometer können zur Herausforderung werden. Die Energiereserven schwinden, der Körper ist erschöpft, und ohne ausreichende Kohlenhydratzufuhr droht der berühmte «Mann mit dem Hammer». Daher ist es entscheidend, im Vorfeld genau zu planen, wann und wie viel Energie und Flüssigkeit aufgenommen werden.

Gleichzeitig sollte man sich bewusst sein: Auch die sorgfältigste Planung bietet keine absolute Sicherheit. Das habe ich als begeisterte Marathonläuferin und akribische Planerin selbst erlebt. Ich trainierte meine Marathonverpflegung im Vorfeld in vielen Trainings, berechnete, wann ich was einnehmen sollte, um optimal versorgt zu sein. Doch wenn sich die Bedingungen am Renntag plötzlich anders präsentieren, können sich die Berechnungen rasch in Nichts auflösen. Unerwartet ansteigende Temperaturen oder hohe Luftfeuchtigkeit, Nässe und Kälte, das Verpassen einer Verpflegungsstation oder ein zu hohes Tempo können schnell dazu führen, dass der Plan angepasst werden muss.

Herausforderungen während dem Rennen

Während eines Marathons gibt es zahlreiche Faktoren, welche die Ernährungsstrategie beeinflussen können. Dazu zählen:

  • Verpflegungsposten: Die Standorte variieren von Marathon zu Marathon. Manche Events bieten eine Verpflegung alle 5 km, andere bereits nach 3,5 km (z. B. Zürich Marathon) oder sogar nach 1,6 km (z. B. New York City Marathon). Das beeinflusst die Verpflegungsstrategie wesentlich.
  • Sich ändernde Produkte: Je nach Marathon werden andere Sportnahrungsmittel angeboten. Teilweise ändert sich das Angebot am gleichen Marathon sogar von Jahr zu Jahr. Egal ob man die Verpflegung selbst mitbringt oder die vom Veranstalter nutzt, es lohnt sich ein Blick ins Programmheft.
  • Umgebungsbedingungen: Temperatur, Wind, Regen oder sogar Schneefall beeinflussen die Schweissverluste und den Energieverbrauch. Falls es zu grossen Wetteränderungen kurz vor oder während dem Rennen kommt, sollte man die Verpflegungsstrategie flexibel anpassen können.
  • Verpasste Verpflegungsposten: Wer einen geplanten Posten verpasst oder seine Verpflegung unterwegs verliert, muss flexibel auf Alternativen ausweichen können.
  • Trinkmenge: Zu viel trinken kann zu Magenproblemen führen, zu wenig zu Flüssigkeitsmangel und Leistungseinbruch. Ein gutes Mass und Austesten von Mengen im Training sind gefragt.
  • Kohlenhydrataufnahme: Eine zu geringe Zufuhr führt zu einer früheren Entleerung der Kohlenhydratspeicher, eine zu hohe kann Magenprobleme verursachen.
  • Nervosität: Besonders Marathonneulinge vergessen durch die Aufregung oft ihre Ernährungsstrategie oder haben Magen-Darm-Probleme deswegen. Damit die Ernährung nicht vergessen geht, kann man sich als Tipp die Kilometerangaben für die geplante Verpflegung auf die Hand schreiben.

 

Und dennoch kann auf den langen 42,195 Kilometern schlussendlich im Ernstfall alles anders herauskommen, als man es sich zurechtgelegt hat. Im Folgenden zwei Praxisbeispiele aus meinen bisherigen Marathonerlebnissen:

Zürich Marathon 2024: Beim Zürich Marathon hatte ich das Privileg, meine Bidons in der Eliteverpflegung abgeben zu können. Doch anders als bei anderen Rennen sind die Verpflegungsposten in Zürich nicht erst alle 5 km, sondern bereits jeweils nach 3,5 km postiert. Um weder zu viel noch zu wenig Energie aufzunehmen, musste ich meine übliche Verpflegungsstrategie anpassen und die Mengen neu berechnen. Im Rennen selbst war dann einem Verpflegungspunkt meine Flasche nicht auffindbar! Was tun? Zum Glück hatte ich vorgesorgt und zur Sicherheit Ersatzgels in meiner Laufhose, so konnte ich das Versäumnis kurzfristig anpassen.

Valencia Marathon 2024: Beim Valencia Marathon boten die hohen Temperaturen die grösste Herausforderung Ich wusste, dass ich von Anfang an auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten musste, weil ich sehr stark schwitzen würde. Auch hier waren die Verpflegungspunkte nicht exakt alle 5 km, sondern variierten in Abständen zwischen 4 und 4,5 km. Da ich alle meine Gels selbst mittrug, habe ich deren Einnahme auf die Verpflegungsposten abgestimmt. So konnte ich nach der Einnahme eines Gels immer auch Wasser zuführen. Die Kombination aus vermehrter Flüssigkeitsaufnahme aufgrund der warmen Temperaturen und der kalten Wassertemperatur an den Posten führte dann allerdings dazu, dass mir die Einnahme der Gels schwerfiel. Ich hatte zwar keine Magen-Probleme, aber einfach keinen «Appetit».

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Trotzdem lief ich im Flow und konnte meine Pace bei Kilometer 30 sogar noch etwas steigern. In der Euphorie hielt ich mich nicht mehr exakt an meinen Plan und liess ein geplantes Gel aus. Das rächte sich prompt bei Kilometer 37: Ein plötzlicher Schwindel machte mir zu schaffen und ich musste kurz stoppen. In diesem Moment war schnelles Handeln gefragt. Ich entschied mich für einen Koffein-Shot und etwas Kohlenhydrate, um mein System, um mein System wieder zu aktivieren und etwas Kohlenhydrate. Trotz des kurzen Stopps am Strassenrand konnte ich danach weiterlaufen und das Rennen erfolgreich beenden.

Wie entscheidend ist die Dauer?

Viele Läuferinnen und Läufer fragen sich, wie stark die Dauer eines Marathons die Ernährungsstrategie beeinflusst. Tatsächlich ist weniger die Zeit entscheidend als vielmehr die individuelle Intensität. Es gilt:

  • Je höher die Intensität, desto schwieriger wird die Verdauung und Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeit. Gleichzeitig ist eine regelmässige Energie- und Flüssigkeitszufuhr im Marathon essenziell.
  • Selbst bei einer langsameren Pace kann es durch die mechanische Belastung des Magen-Darm-Trakts zu Problemen kommen.
  • Je länger man unterwegs ist, desto grösser wird das Risiko eines Flüssigkeitsdefizits (Dehydrierung) und das Auftreten von Muskelkrämpfen. Aber aufgepasst, wer mehr trinkt als schwitzt begibt sich ebenfalls in ein gesundheitliches Risiko!
  • Gehpausen oder eine kurzfristige Reduktion des Tempos können helfen, Nahrung und Flüssigkeit besser aufzunehmen bzw. zu verdauen.

Koffein als Gamechanger?

Viel Sportlerinnen und Sportler nutzen Koffein als ein bewährtes Mittel zur Leistungssteigerung im Ausdauersport. Koffein kann die Konzentration erhöhen, das Schmerzempfinden reduzieren sowie Ausdauerleistung und Kraft steigern. Koffein sollte aber mit Bedacht eingesetzt und im Vorfeld ausgetestet werden.

Normalerweise wird das Koffein vor einer Belastung eingenommen, weil die optimale Wirkung nach 30 bis 60 Minuten eintritt. Während längeren Ausdauerleistungen kann es sinnvoller sein, das Koffein erst während der Belastung einzunehmen. Gerade im Marathon fühlt man sich häufig sehr gut in der ersten Rennphase, ein zusätzlicher Schub durch Koffein ist in dieser Phase nicht notwendig, zumal das Risiko für ein zu schnelles Renntempo ansteigt. Koffein kann auch Magenprobleme verursachen und daher sollte es mit Vorsicht und im Mass eingesetzt werden. Ein Koffein-Shot gegen Ende des Rennens (etwa Kilometer 32-35) kann helfen, eine schwierige Rennphase oder ein Energieloch zu überstehen.

Erfahrungen machen klüger

Die optimale Marathonverpflegung kann entscheidend sein, um am Tag X auch wirklich seine optimale Leistungsfähigkeit zu erzielen. Gleichzeitig ist die richtige Ernährung nicht immer trivial und von vielen Faktoren abhängig. Trotz einer perfekten Vorbereitung kann sich die Situation auch während dem Rennen noch wesentlich verändern. Erfahrung, Flexibilität, eine kluge Strategie und ein durchdachter Notfallplan sind entscheidend, um im Rennen nicht aus dem Rhythmus zu kommen. Wer sich bewusst auf die Herausforderungen vorbereitet und während des Laufs achtsam bleibt, kann einen Leistungsabfall vermeiden und den Marathon erfolgreich meistern.

Und nicht vergessen: Der nächste Marathon kommt bestimmt – und mit jeder Erfahrung wird man klüger!

5 Tipps zur Marathonverpflegung

  1. Frühzeitig planen:
  • Informiere dich vorab über die Verpflegungsposten des Veranstalters.
  • Welche Produkte werden angeboten? Bei welchen Kilometerposten gibt es welche Verpflegungsprodukte?
  • Wenn du die Produkte des Veranstalters nutzen willst: Teste sie im Vorfeld aus!
  1. Flexibel bleiben:
  • Sei auf unerwartete Wetterverhältnisse vorbereitet.
  • Lege dir auch einen Plan B und C für den Fall zurecht, wenn nicht alles nach Plan A verläuft.
  1. Alternativen bereithalten:
  • Falls du deine geplante Verpflegung nicht einnehmen kannst, weiche auf eine andere Strategie aus.
  • Trage ein Reservegel für den Fall der Fälle bei dir.
  1. Verpflegung bewusst einnehmen:
  • Falls dir das Verpflegen während des Laufens schwerfällt, lege an den Verpflegungsstationen kurze Gehpausen ein.
  1. Teste alles im Training:
  • Keine Experimente am Renntag! Alle Gels, Getränke und Strategien sollten bereits erprobt sein.

 

*Joëlle Flück (Jg. 1986) ist Sport- und Bewegungswissenschafterin, Ernährungsexpertin und Präsidentin der Swiss Sports Nutrition Society (SSNS), der Fachgesellschaft für Sporternährung.

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