Pet-Flaschen, Fischernetze, Plastikmüll – immer mehr Stoffe können zu neuen Materialien wiederverwendet werden. Ist das nachhaltig?
Recycling ist in der Schweiz seit Jahren an vielen Fronten etabliert. Die Wiederverwertung von Abfallprodukten bzw. deren Ausgangsmaterialien zu Sekundärrohstoffen, ist in unserer Gesellschaft positiv besetzt. Kontrolliertes und verantwortungsbewusstes Recycling bietet tatsächlich umweltspezifisch sinnvolle Möglichkeiten, die ideale Voraussetzung dafür allerdings wäre, wenn bereits nachhaltig produzierte Produkte auf nachhaltige Weise erneut zu nachhaltigen Produkten aufbereitet würden. Und dies ist leider häufig (noch) nicht der Fall. Das Recycling von Sporttextilien (oder auch Sportschuhen) kann in zwei Kategorien unterteilt werden:
Kreislaufwirtschaft: Recycling im Sinne einer Kreislaufwirtschaft von Abfall-Textilien aus eigener Produktion oder zumindest aus der gleichen Branche.
Wiederverwertung: Recycling im Sinne der Wiederverwertung von Abfall, der sich zu geeigneten Sekundärrohstoffen verarbeiten lässt, wie z.B. Plastikabfall (PET-Flaschen, ausrangierte Fischernetze), der aus den Ozeanen gefischt oder an Stränden gesammelt wurde.
Kreislaufwirtschaft mit Tücken
Für die Kreislaufwirtschaft interessiert sich die Sporttextilindustrie bereits seit Beginn der Neunzigerjahre. Die deutsche Firma Vaude installierte 1994 «das Vaude Ecolog Recycling Network», mit dem sortenreine, eigene Polyester-Produkte in einem geschlossenen Kreislauf neu aufbereitet werden konnten. Die Idee wurde gewissermassen «Opfer» der eigenen Qualitätsansprüche, denn die Ecolog-Produkte hielten ewig – und wurden entsprechend zu selten zurückgegeben. Vaude musste das Projekt einstellen.
Auch das deutsche Label Pyua setzt auf Wiederverwertung. Als eines der ersten Unternehmen arbeitet Pyua mit «Closed-Loop-Recycling»: Dabei werden die Kleidungsstücke aus bereits recyceltem Polyester hergestellt und können von den Kunden nach dem Tragen erneut zum Recyceln zurückgegeben werden. Dank dieses geschlossenen Recycling-Kreislaufs kann das Unternehmen aus einer zurückgebrachten Jacke eine neue Hose fertigen. Voraussetzung sind sortenreine Produkte und solche, bei denen die unterschiedlichen Materialien beim Recycling-Prozess gut voneinander zu trennen sind. Zu diesem Zweck ging Pyua einen Vertrag mit europäischen Textilverwertern ein. Diese sortieren passende Produkte aus und senden sie zur Wiederverwertung an Pyua zurück. So ist eine nachhaltige Wiederverwertung möglich.
Auch Laufschuhe eignen sich
Auch bei den Sportschuhen ist Recycling ein Thema. Branchenriese adidas hat mit dem Futurecraft Loop einen Laufschuh auf den Markt gebracht, einen vollständig recyclingfähigen Performance-Laufschuh. Zurückgegeben und in seine Einzelteile zerlegt, sollen daraus wieder neue Laufschuhe entstehen.
Ebenfalls aktiv ist Puma und spannt mit First Mile zusammen, einem sozial ausgerichteten Unternehmen, das sich auf das Recycling von Plastikflaschen zu Garn spezialisiert hat. Die beiden haben eine Puma-Sportswear-Kollektion aus recyceltem Kunststoff auf den Markt gebracht, bestehend aus Artikeln wie T-Shirts, Jacken, Hosen – und Schuhen.
Der Veja Condor der französisch-brasilianischen Sneakermarke preist sich als recycelt, organisch, nachwachsend und fair. Für das Obermaterial verwendet Veja recycelte Plastikflaschen, der Innenschuh ist aus ökologisch angebauter Baumwolle gefertigt und für die Mittelsohle wurden Zuckerrohr, Reis und Bananen verwertet. Selbst Aldi springt auf den Klimazug auf und verkauft mit dem «Crane Pure» seinen ersten klimaneutralen Sneaker zu einem Kampfpreis. Die Schuhe sind teilweise aus wieder aufbereiteten PET-Flaschen hergestellt, die rechnerische Klimaneutralität entsteht durch die Kompensation der entstandenen CO2-Belastung.
Wo ist der Haken?
Das tönt ja alles ganz positiv und vorbildlich, doch Recycling macht ökologisch nur dann Sinn, wenn die Wiederverwendung alter Textilien in einem geschlossenen und somit kontrollierbaren Kreislauf stattfindet. Der Einsatz von Chemikalien ist bei diesem Prozess nicht zu vermeiden; wieviel davon letztendlich in der Umwelt landet, hängt vom mehr oder weniger sorgfältigen Umgang mit den Chemikalien ab. Bei Grossprojekten (wie dem Futurecraft Loop von Adidas) wird zudem kritisiert, dass die Firma mit einem Recycling-Projekt vollmundig ein grünes Engagement vorgaukelt, obwohl der überwiegende Rest der Produkte wenig nachhaltig gefertigt wird (Stichwort «Greenwashing»).
Produkte aus Müll
Recycling im Sinne der Wiederverwertung von Abfall wird ebenfalls seit drei Jahrzehnten praktiziert, erhielt aber erst in den letzten zehn Jahren verstärkte Aufmerksamkeit auf dem Markt. Vorreiter dieses Trends war die Outdoormarke Patagonia – das US-Unternehmen stellte bereits 1993 Fleece-Jacken und Fleece-Sweater aus PET-Plastikflaschen her. Diese werden in Recycling-Verwertungsgesellschaften, auf Mülldeponien, an Stränden und direkt auf dem Ozean gesammelt, energetisch und chemisch aufwändig zu Kunstfasern gewandelt und später am Textil eingesetzt.
Das Müll-Recycling tönt zwar gut, ist aber insgesamt kein Nachhaltigkeits-Vorzeigeobjekt. Vom Einsammeln über das Waschen, Entfärben und Einschmelzen wird sehr viel Energie und Chemie benötigt. Recycling-Anlagen, die grössere Mengen Plastik verarbeiten können, stehen häufig in Asien, was lange Anfahrtswege des (weltweit) gesammelten Mülls nach sich zieht. Der Transport des Mülls ist entsprechend CO2-intensiv.
Kleidung aus Plastikmüll kann zudem gesundheitsschädigend sein. PET-Flaschen enthalten häufig hohe Konzentrationen toxischer Stoffe, die letztendlich am Körper nichts zu suchen haben. Noch kritischer muss der Einsatz von Plastikmüll aus den Meeren betrachtet werden. Hier ist völlig unklar, welche Gifte in den oft von weither angeschwemmten Abfällen lauern.
Giftiger Mikroplastik
Bei recycelten Produkten kommt es zudem darauf an, wieviel Prozent des recycelten Materials tatsächlich in den Produkten eingesetzt werden. Bei allen Recycling-Textilien gilt ausserdem: Bei jedem Waschgang wird Mikroplastik ausgewaschen (vor allem: Fleece), welches in die Ozeane (und bis in die Arktis) gelangt und somit einen fatalen Kreislauf schliesst.
Das Grundbestreben ist dennoch lobenswert. Die Firma re-athlete beispielsweise stellt ihre in Deutschland produzierte Sportbekleidung grösstenteils aus umhertreibenden Fischernetzen (Geisternetzen) her. Die Endprodukte bestehen dann aus einem Mischgewebe mit rund 78% recycelten Polyamiden und 22% Elasthan. Es handelt sich dann zwar nach wie vor um hauptsächlich synthetische Sportbekleidung, aber immerhin kann sie einen Primär-Nutzen beim Umwelt- und Tierschutz vorweisen – durchaus auch ein nachhaltiger Aspekt!