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Es ist der Albtraum jedes Velofahrers: Zu spät gebremst – Sturz über den Lenker – Schlüsselbeinbruch. Chirurg Richard Glaab* gibt Auskunft über die Behandlung bei Schlüsselbeinbrüchen.

Ein Radsportler kommt mit einem gebrochenen Schlüsselbein zum Arzt und sagt, dass er in vier Wochen unbedingt zu einem wichtigen Wettkampf antreten muss. Was raten Sie ihm, Herr Grab?
Das ist abhängig von seiner genauen Verletzung. Aber tendenziell rate ich, eher zu operieren.

Warum?
Weil seine Schulter so wahrscheinlicher auf den gewünschten Zeitpunkt hin wieder genügend funktionell für einen Einsatz wäre. Oft hat ein Patient ohne Operation länger Schmerzen. Eine Operation ist häufig auch eine gewisse Schmerztherapie.

Würde die Empfehlung anders lauten, wenn es sich um einen unsportlichen Büromenschen handelt?
Manchmal schon, aber nicht zwingend. In erster Linie hängt das Vorgehen davon ab, wie die Verletzung aussieht, denn da gibt es alle möglichen Varianten, vom unverschobenen Bruch bis hin zur totalen, offenen Zertrümmerung des Schlüsselbeines samt kaputten Bändern und Begleitstrukturen. Eine einfache Schlüsselbeinverletzung heilt grundsätzlich von selber zusammen und kann konservativ behandelt werden. Das Risiko von Nichtverheilungen – sogenannten Pseudoarthrosen – und Fehlverheilungen ist mit einer konservativen Behandlung etwas grösser, demgegenüber steht das Vermeiden einer Operation, die ebenfalls immer ein gewisses Risiko darstellt, denn operationsspezifische Komplikationen wie Infekte kommen bei einer konservativen Therapie naturgemäss nicht vor. Die passende Behandlung ergibt sich aus der Kombination von Verletzungstyp und den individuellen Ansprüchen des Patienten.

Verkürzt eine Operation die Heilungszeit?
Nein. Eine komplette Ausheilung dauert bei einer konservativen Behandlung ohne Komplikationen genau gleich lang wie nach einer Operation, nämlich etwa sechs Wochen. Wenn der erwähnte Radsportler nach vier Wochen bereits wieder einen Wettkampf bestreitet, bedeutet das also nicht, dass dies eine empfehlenswerte Entscheidung ist. Vielmehr ist es eine Entscheidung mit einem gewissen Risiko, und wenn der Sportler erneut stürzt, kann sich der weitere Verlauf der Heilung weit länger herauszögern, als ursprünglich nötig gewesen wäre.

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Wie lautet in etwa das Verhältnis der konservativen zur operativen Behandlung?
Das wissen wir nicht genau. Es zeigt sich aber in den aktuellen wissenschaftlichen Studien eine klare Tendenz hin zur operativen Versorgung. Vor allem die modernen, minimalinvasiven Operationstechniken mit kleinen Schnitten haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass Schlüsselbeinbrüche heutzutage wieder häufiger operiert werden als früher. Zu erwähnen ist auch, dass die Biomechanik der Schulter nach einer operativen Behandlung bei korrekter Indikation oft besser funktioniert als bei einer konservativen mit einer eventuellen Fehlverheilung. Allerdings sind die Ergebnisse dieser Verfahren sehr von der Erfahrung des Operateurs mit der Methode abhängig. Und ebenfalls wichtig: Die Ergebnisse bei Operationen nach fehlgeschlagener konservativer Therapie sind meist schlechter, als wenn sofort operiert worden wäre. Ein anfängliches Zuwarten, ob es auch ohne Operation geht, ist demnach keine gute Alternative.

Nützt das Tragen einer Bike-Schutzbekleidung bei einem Sturz vor einem Schlüsselbeinbruch?
Nur sehr bedingt. Oft bricht das Schlüsselbein ja nicht, weil man direkt darauf stürzt, sondern weil bei einem Sturz die Kraft bis zur schwächsten Stelle weitergeleitet wird. Und die ist bei der Schulter das Schlüsselbein. nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, Protektoren zu tragen und wenn sie nur verkomplizierende Hautverletzungen vermeiden.

Wie stabil ist die Bruchstelle nach dem Ausheilen?
An der gebrochenen Stelle ist der Knochen für eine gewisse Zeit sogar stabiler als vorher, da er sich beim Zusammenwachsen verdichtet. Da der Knochen sich aber seinen Belastungen anpasst, wird er im Verlauf von Jahren dort wieder etwa gleich stabil.

*Dr. med. Richard Glaab arbeitet als leitender Arzt Traumatologie und Sporttraumatologie am Kantonsspital Aarau. Er besitzt eine Zusatzausbildung in Sportmedizin SGSM und verfügt über eine Zertifizierung als Arthroskopeur der Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkschirurgie (AGA). Er war während Jahren stellvertretender Mannschaftsarzt des HC Davos.

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