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Zoe Albisetti hat vor sechs Jahren nach langer Leidensgeschichte die Diagnose Morbus Bechterew erhalten – ein Tiefschlag. Dem Sport verdankt sie wiedergewonnene Lebensqualität.

Und plötzlich war sie da, die Erklärung für die immer stärker werdenden Rückenschmerzen. Endlich hatte es einen Namen, was Zoe Albisetti über Jahre ausgebremst hatte und die Ursache war für das beängstigende Erlebnis, als 2013 ihre Arme, Hände und Beine völlig blockierten, sie die Finger nicht mehr beugen konnte und die Mutter sogar beim Anziehen helfen musste. Morbus Bechterew.

Zur Diagnose kam Zoe Albisetti erst Jahre nach den ersten Symptomen, weil das Gen, das häufig mit dieser Krankheit in Verbindung gebracht wird, bei ihr fehlt. Und weil die Autoimmunkrankheit schwer zu diagnostizieren und bei Frauen seltener ist als bei Männern. An der harten Konsequenz aber änderte das nichts: Morbus Bechterew, unheilbar – so stellten die Ärzte ihre Diagnose klar.

Verschiedene Medikamente vermochten Zoe Albisettis Schmerzen nicht nachhaltig zu lindern und sie durchlebte eine Mischung aus Resignation, Ratlosigkeit, tiefer Trauer, Wut und sich unverstanden-Fühlen. Die Ärzte verschrieben ihr neue Medikamente und sie lernte, sich diese selbst zu injizieren. Dennoch haderte sie mit ihrem Schicksal. Und kam in Konflikt mit ihrem Wunsch, im Ausland zu studieren oder nach der Ausbildung eine Vollzeitstelle anzunehmen.

«Nicht krank, sondern lebendig»

Zwei Pfeiler erwiesen sich als zentrale Stützen im Kampf gegen die Negativspirale: der Glaube und der Sport. Sport hatte für Albisetti lange wenig Bedeutung gehabt. Das Bedürfnis, sich lebendig zu fühlen, führte nach der Diagnose aber zu einem neuen inneren Antrieb. Die Ärzte mahnten: «Sport ja, aber höchstens mit sanften Bewegungen in tiefer Intensität.» Für die junge Frau waren diese Worte ein weiterer Tiefschlag. Es brauchte Zeit und Energie, sich damit auseinanderzusetzen. Immer bewusster und gezielter begann sie sich zu widersetzen. Sie testete, joggte, steigerte, lief intensiver und machte damit das, was ihr ans Herz wuchs. Im Austausch mit den Ärzten fand sie einen Weg, der sie weiterbrachte.

2018 hat Zoe Albisetti neben den herkömmlichen Medikamenten mit alternativen Heilmethoden zu arbeiten begonnen. Ihr Ansatz: «Ich will mich nicht krank, sondern lebendig fühlen.» Meditation, Yoga, Atemübungen, Stretching, Muskelkräftigung, kalt duschen – ein Zweistundenprogramm, Morgen für Morgen, vor der Arbeit, vor dem Start in den eigentlichen Alltag. Dazu kommen Visualisieren, das Führen eines Kreativ-Tagebuchs, das Gebet, eine vegane, glutenfreie Ernährung und ein Mindset mit dem zentralen Satz: «Alles ist möglich.»

Mitgefühl – und Unverständnis

Und sie wagte sich an Wettkämpfe. Dabei stiess sie auf Mitgefühl ihrer Mitmenschen, aber ebenso auf Unverständnis. Sie übertreibe, bekam sie zu hören oder unausgesprochen zu spüren. Dazu sagt sie: «Die wenigsten Menschen verstehen, wie intensiv und fordernd es ist, so zu leben und zu trainieren trotz dieser Schmerzen. Bittere Tränen vergoss Zoe Albisetti immer wieder – vor allem zu Hause; dort, wo es niemand sah. Sie fühlte sich missverstanden, Sie musste den Umgang mit ihrer unsichtbaren Krankheit auch auf dieser Ebene lernen.

Das Laufen aber hat eine zentrale Funktion erhalten, als «echte Befreiung» bezeichnet es Zoe Albisetti. Es hat ihr ermöglicht, neues Vertrauen in ihren Körper aufzubauen. Dabei schaut sie tief in sich hinein und hört auf die Zeichen des Körpers und seiner Limiten. Erstaunliches hat die mittlerweile 31-Jährige inzwischen erreicht – nicht nur bezogen auf ihren Weg von der Schwerkranken zur Sportlerin. Auch ihr Leistungsvermögen hat sich enorm entwickelt. So lief sie noch vor der Pandemie den GP Bern, diverse Halbmarathonläufe und nahm sogar an einem Kurz-Triathlon in Locarno teil. «Ich kann Sporttreiben ohne Qualen», betont sie, «und das ohne Medikamente». Seit vier Jahren verzichtet sie darauf – in Absprache mit den Ärzten.

Was ist möglich?

Auf ihrem Weg ist sich Zoe Albisetti ihrer wahren Wünsche bewusster geworden. Sie schenkt ihrer Gesundheit höchsten Stellenwert, will ihre Krankheit verstehen. «Ich will agieren und verstehen, gleichzeitig aber die Realität von Morbus Bechterew nicht negieren.» Der Sport ist zur Leidenschaft gewachsen. Doch die Schmerzen sind nicht verschwunden. Und auch wenn sie diese kontrollieren kann, kommen immer wieder Selbstzweifel auf. Generell fragt sie sich: «Schaff ich es je, meine Knochen wieder zu heilen? Schaff ich es, einen Tag ganz ohne Schmerzen zu erleben?» Und auch der Satz der Ärzte «Eine Heilung ist leider nicht möglich» schwingt immer mit.

Schritt für Schritt überdenkt Zoe Albisetti Bewährtes und wagt Neues. Ein Beispiel: Auf Ende Januar kündigte sie ihre Stelle als PhD-Assistentin und Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Fribourg und zog auf die Azoreninsel São Miguel. Ihre Erklärung: «Ich wollte mir einen Traum verwirklichen und suchte Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und ein Klima, welches mich glücklich macht und mir besser bekommt als der Schweizer Winter.»

Im atlantischen, wärmeren Klima fühlt sie sich wohl. Ihre Selbstheilungsaktivitäten hat sie beibehalten, die Lektionen gehören morgens und abends in ihren Alltag. Neben einer Teilzeitstelle geniesst sie den Sport. Und hat eine weitere Passion entdeckt: das Surfen. Ebenfalls neu im Programm: Capoeira, der brasilianische Kampftanz. Das Laufen kommt bei diesem gedrängten Programm fast schon zu kurz

Den Sport bezeichnet Zoe Albisetti als Verbindungsstimme zu ihrem Körper, «der starke Symptome ausdrückt». Dank dem Sport fühlt sie sich lebendig. Auch harte Einheiten, bei denen sie ihr Limit testet, vermitteln ihr Freude. Und Stolz bereitet ihr, wie sie Möglichkeiten für sich entdeckt hat, um mit ihrer Erkrankung umzugehen, «mich von ihr und dem Blockierenden zu befreien», wie sie sagt. Und so beantwortet sie auch die Frage nach ihrem aktuellen Befinden. Zum einen: «Ich bin trotz der Krankheit und ihren Tücken sehr glücklich mit meinem Leben, und ich mach alles, damit ich mich aktiv und leistungsfähig fühle.»

Da ist aber auch eine zweite Antwort: «Der Befund des MRI im letzten Jahr ist eindeutig: Die Erosion in meinen Iliosakralgelenken und -knochen ist weiter fortgeschritten. Doch ich glaube an mich, ich verlasse mich auf alternative Therapeuten und Therapien und glaube an die Göttlichkeit – das zählt mehr als alle Statistiken. Ich möchte meine Träume leben.»

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