Was man in den letzten zwei Wochen noch tun und lassen sollte, beschäftigt viele Laufsportlerinnen und -sportler immer wieder von Neuem. In dieser Zeit geht es vor allem darum, sich nicht verrückt machen zu lassen. Laufexperte Viktor Röthlin erklärt die wichtigsten Punkte, die es vor einem kurzen Laufwettkampf über 5–10 Kilometer zu beachten gilt.
Training
Umfang reduzieren: Ziel ist es, erholt mit randvollen Batterien an der Startlinie zu stehen, und gleichzeitig sollte der Körper gespannt wie eine Feder sein, damit er nicht im Schlafmodus in den Wettkampf schleicht. Diese Gratwanderung ist nicht ganz einfach und unterscheidet sich je nach Leistungsniveau. Läuferinnen und Läufer, die normalerweise ein Trainingsvolumen von mehr als 4–5 Stunden pro Woche absolvieren, sollten den Umfang in den letzten zwei Wochen massiv herunterfahren. Wer «nur» bis rund dreimal pro Woche trainiert, muss nicht allzu gross reduzieren, vor allem nicht bei einem kurzen Wettkampf von 5–10 km, da braucht es weniger Erholungstage im Vorfeld als bei einem Halbmarathon. Komplett erschöpfende und auszehrende Trainings in den letzten zehn Tagen sollten aber vermieden werden.
Intensität variieren: Für ein gutes Tempogefühl und genügend Spritzigkeit dürfen Sie auch in der letzten Woche ruhig noch einmal schnell und intensiv – dafür aber nicht mehr lang – unterwegs sein. Also eine kurze Einheit durchführen mit Zwischensprints, Steigerungen oder auch ein schnelles Fahrtspiel – das bringt Ihren Körper in Schwung.
Technik im Fokus: Betrachten Sie den Grossteil der Trainings in der Wettkampfwoche als «Bewegungstherapie» und nicht als «Training». Versuchen Sie locker und technisch sauber unterwegs zu sein und sich auf die wichtigsten Merkpunkte beim Laufen zu konzentrieren.
Keine «Seitensprünge» mehr: In der Wettkampfwoche sollten Sie sich auf die Wettkampfdisziplin(en) konzentrieren und aufs Krafttraining oder Velofahren verzichten.
Dehnen: Pflegen Sie die Muskeln und erhöhen Sie die Stretchingeinheiten. Das tut nicht nur der Muskulatur gut, sondern bringt ein gutes Körpergefühl und die nötige Entspannung.
Beine hochlagern: Begeben Sie sich in den letzten zwei Tagen vor dem Ernstfall regelmässig in die Horizontale und schonen Sie dadurch Ihre Beine.
Schlaf: Die letzte Nacht ist nicht so wichtig, da man da sowieso oft schlecht schläft. Die Tage davor hingegen wirkt genügend Schlaf wie ein «Jungbrunnen» und garantiert, dass man wirklich ausgeruht am Start steht.
Toi-Toi: Das «Angstbisi» gehört dazu. Daran denken, dass sich vor den Toiletten im Startgelände meist Schlangen bilden. Genügend Zeit einplanen!
Aufwärmen/Start: Arme kreisen, Beine schwingen, hüpfen: 10–20 Minuten vor dem Start den Körper vorbereiten und den Puls langsam auf Touren bringen. Dazu einige hundert Meter locker Traben, ein- zwei kurze Steigerungsläufe, dazwischen immer wieder 20 Sekunden lang Hampelmann. Im passenden Block einreihen, ein letzter Kontrollblick zu den Schuhen – und los gehts!
Starten Sie locker in Ihrem Tempo und versuchen Sie die Distanz gut einzuteilen, damit Sie kontinuierlich zulegen können. Ich drittle die Strecke immer im Kopf für mich. Den ersten Drittel laufe ich locker, den zweiten konzentriert auf eine gute Lauftechnik achtend und der letzte Drittel darf wehtun.
Ernährung
Ausgewogene Grundernährung: Trotz aller angepriesenen Wundermittel: Bei Kurzdistanzen ist die wichtigste Grundlage eine vielseitige Basisernährung, damit können alle Bedürfnisse abgedeckt werden.
Carboloading: Die Wirksamkeit eines gezielten Carboloadings ist unbestritten, bei kürzeren Distanzen allerdings nicht so entscheidend wie bei einem Marathon. Als Richtlinie gilt: 7–12 Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag in den Tagen vor dem Wettkampf.
Keine Vollwertkost: Im Alltag ist eine Vollwerternährung wertvoll, im Vorfeld eines Wettkampfes hingegen belastet sie den Magen unnötig. Für einmal dürfen Sie also die gesunden Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Rohkost oder auch Salat mit gutem Gewissen weglassen.
Letzte Mahlzeit: Die letzte Mahlzeit sollte eine erprobte, gut verträgliche Kohlenhydratspeise sein und in der Regel drei Stunden vor dem Wettkampf abgeschlossen sein, bei sehr empfindlichen Personen eventuell auch früher.
Viel trinken: Eine reichliche Versorgung mit Flüssigkeit im Vorfeld ist wichtig. Die letzte Stunde vor dem Start nicht mehr trinken und die Blase leeren, dann kurz vor dem Startschuss noch einmal 3–5 dl einnehmen.
Wettkampfverpflegung: Für einen 5–10-km-Wettkampf reichen in der Regel ein paar Schlücke bei jedem Verpflegungsstand, da muss man sich keine grossen Gedanken machen. Nichts Neues ausprobieren, also sich im Vorfeld erkundigen, was der Veranstalter anbietet und wenn nötig (und bei sensiblem Magen) selbst Verpflegung organisieren.
Ausrüstung
Gewohntes Material: Auch wenn Sie nicht auf dem allerneusten Materialstand sind: keine Panikkäufe unmittelbar vor einem Wettkampf! Viel wichtiger ist es, mit dem gewohnten Material anzutreten. Also mit gut eingelaufenen Schuhen, bereits gewaschenen Socken, dem Lieblingsshirt. Beachten Sie die Wettervorhersage und überlegen Sie frühzeitig, was Sie am Wettkampftag anziehen wollen.
Körperpflege: Sind alle Wehwehchen versorgt und (vor allem im Laufsport wichtig) die Füsse gepflegt (Nägel frühzeitig schneiden)?
Material überprüfen: Schuhbändel intakt, Startnummernbändel noch ganz, Startnummer befestigt? Ein Check bringt Sicherheit und Zuversicht. Daran denken, dass bei nicht sichtbarer Startnummer (vorne befestigen) allfällige Erinnerungsfotos nicht zugeordnet werden können.
Accessoires: Sie bevorzugen einen Brustgurt oder eine Handytasche? Wenn ja, frühzeitig das Tragen üben und nicht erst für den Wettkampf eine «Ausnahmeregelung» einführen.
Mit oder ohne (Puls)Uhr? Sportler mit dem Finger auf dem Startknopf ihrer GPS-Uhr gehören zum alltäglichen Bild bei Laufwettkämpfen. Tipp: Verzichten Sie auf die Pulsaufzeichnung, da dieser im Wettkampf meist höher ist als gewohnt und der stete Blick auf den Puls eher verunsichert als gewinnbringend ist.
Mentale Verfassung
Terminplanung: Organisieren Sie wenn nötig die Arbeit so, dass die letzten Tage nicht noch durch unnötige Hektik im Berufsalltag belastet werden.
Lokalität kennen: Sie wissen, wie das Startgelände organisiert ist, wo Sie Ihre Garderobe deponieren können usw.? Machen Sie sich im Vorfeld in aller Ruhe schlau über die vorherrschenden Begebenheiten, das verhindert unnötige Hektik.
Lösungsstrategien: Welche Probleme könnten im schlimmsten Falle auftreten? Seitenstechen? Zu schnelles Angehen? Beschwerden? Legen Sie sich die nötige Strategie zurecht, wie Sie dagegen ankämpfen und die Probleme lösen können. Wer das in einigen ruhigen Minuten zuerst zu Hause in Gedanken durchgeht, kann «erfolgreiche» Bilder auch in Training und Wettkampf besser abrufen.
Viktor Röthlin beantwortet Ihre Fragen!
Viktor Röthlin (Jg. 1974) ist ehemaliger Spitzensportler und der erfolgreichste Schweizer Marathonläufer der Geschichte (WM-Bronze 2007 in Osaka und EM-Gold 2010 in Barcelona). Er arbeitet seit 2018 als Running-Experte bei Ochsner Sport und ist für die Weiterentwicklung des Laufsportbereichs verantwortlich. Mailen Sie Ihre Fragen an info@fitforlife.ch