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Gezieltes Krafttraining ist auch für Ausdauersportler nicht wegzudenken. Über die Art des «richtigen» Krafttrainings klaffen die Meinungen aber auseinander.

Es leuchtet ein: Das Training einer Balletttänzerin sieht ganz anders aus als jenes eines Langstreckenläufers oder Speerwerfers.

Und dennoch leben alle von einem grundlegenden Faktor: der Kraft, welche die Muskulatur als Grundlage jeder Fortbewegung zu leisten vermag. Kraft wird dabei als die Fähigkeit definiert, durch das Zusammenwirken aus Nervensystem und Bewegungsapparat Widerstände anzuheben und zu überwinden, zu halten oder ihnen kontrolliert nachzugeben. Unterschieden wird unter anderem das Verhältnis zwischen Kraftentfaltung und Zeit:

  • Die Maximalkraft ist die Fähigkeit, einen grösstmöglichen Widerstand zu überwinden.
  • Die Schnellkraft baut eine Kraft möglichst schnell auf.
  • Kraftausdauer bedeutet, eine möglichst hohe Kraft über möglichst lange Zeit aufrecht zu erhalten.

Kraft kann also von unserer Muskulatur auf ganz unterschiedliche Arten und mit unterschiedlichen Absichten generiert werden und je nach spezifischer Trainingsabsicht in den einzelnen Sportarten werden entweder sehr hohe Gewichte gestemmt, mittlere Gewichte rasch beschleunigt oder aber niedrige bis mittlere Gewichte über längere Zeit bewegt. Von Krafttraining zu sprechen und dabei nur an eine Trainingsform zu denken ist deshalb genau so ungenau, wie von Sport zu sprechen und nicht zu definieren, um welche Art von Sport es sich handelt.

Kraft im Alter entscheidend

Kraft brauchen nicht nur Sportler, sondern auch der Mensch im Alltag zur Fortbewegung und Verrichtung seiner alltäglichen Arbeiten. Dabei gewinnt die Kraft mit zunehmendem Alter immer mehr an Bedeutung und wird ab dem 6. Lebensjahrzehnt sogar zur Grundlage der eigenen Unabhängigkeit.

Umso trauriger ist deshalb die Tatsache, dass nur ein kleiner Teil der immer älter werdenden Bevölkerung ein effizientes Krafttraining absolviert. Auch wenn niemand sich gerne im Alters-oder Pflegeheim sieht, so tun die wenigsten aktiv etwas dagegen. Der schleichende Kraftverlust im Alter ist der Hauptgrund für körperliche Inaktivität und den Verlust an Selbstständigkeit. Krafttraining in irgendeiner Form ist deshalb für jeden Menschen ein unverzichtbarer Bestandteil körperlicher Gesundheit.

Dabei stellt sich die Frage: Wie trainiere ich Kraft am besten? Beim Krafttraining gelten dieselben grundlegenden Trainingsprinzipien wie bei anderen Trainingsformen. An dieser Stelle soll aber für einmal nicht auf die unterschiedlichen Philosophien und Meinungen über die Anzahl Wiederholungen, Ausführungsgeschwindigkeit usw. eingegangen werden, sondern darauf, ob es sinnvoller ist, Kraft an Kraftmaschinen und Widerstandsgeräten zu trainieren oder ob die Bewegungsausführung durch den Trainierenden selbst bestimmt werden sollte (z. B. mit Freihanteltraining, Zugseiltraining, Balance-und Kraftübungen mit dem eigenen Körpergewicht).

Studios bevorzugen Kraftmaschinen

Hier scheiden sich bezüglich «Expertenmeinung» die Geister. Grundsätzlich sind freie Gewichte (Kurz-und Langhanteln, Zugbänder, Expander), wie auch Widerstandgeräte sehr effiziente Trainingsmittel. Mit beiden kann aber bei Unkenntnis der wichtigsten Prinzipien auch sehr ineffizient bis gefährlich gearbeitet werden. In gesundheitsorientierten Fitnesszentren finden sich daher überwiegend Kraftmaschinen, welche die Bewegung genau vorgeben.

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Vordergründig wird dies mit Gründen der Trainingssicherheit erklärt, hintergründig dürften aber auch wirtschaftliche Überlegungen wie einfacheres Training, weniger Betreuungsaufwand, höherer Kundendurchlauf usw. eine Rolle spielen. Die Durchführung einer Kräftigungsübung an einer Maschine ist tatsächlich mit weniger Fehlerquellen verbunden. Eine Zielmuskulatur kann isoliert und in einer einzigen, definierten Bewegungsrichtung trainiert werden. Die zu bewältigende Last kann am Gerät exakt festgelegt und schrittweise gesteigert werden. Viele Maschinen erlauben zudem auch eine Anpassung des Lastwegs an die physiologische Kraftentfaltung des belasteten Gelenkes. Das geringere Verletzungsrisiko, die beinahe unendliche Vielfalt verschiedener Übungsgeräte zum Training von Einzelmuskeln und Muskelgruppen, die geführte Bewegung und die feine Lasteinstellung gelten als weitere Vorteile der Kraftmaschinen.

Was bringt Studiokraft im Alltag?

Unter der Betrachtung, dass eine kräftige Bewegung immer ein Zusammenspiel aus Nervensignalen und Muskulatur darstellt, gedeihen diese Vorteile der Maschinen aber auch zum Nachteil. Übungen an freien Gewichten sind koordinativ wesentlich anspruchsvoller, sie setzen mehr neuromuskuläre Signale um und erlauben eine viel komplexere Bewegungssteuerung durch die Beteiligung mehrerer Muskeln und Muskelgruppen.

Zwar sind die Bewegungen mit Hanteln und Gummizügen variabler und anspruchsvoller (für viele vermeintlich zu anspruchsvoll), doch ist das Resultat bei effizienter Ausführung mit Sicherheit nicht schlechter und häufig den Alltagsbelastungen weit ähnlicher als geführte Bewegungen. Und je näher eine Kräftigungsübung an die wirklichen Alltagsbedürfnisse und Bewegungsabläufe kommt, umso grösser ist auch der effektive Nutzen (z. B. beim Anheben der Einkaufstasche oder dem Hochstemmen eines Koffers).

Auch wenn letztlich die geforderten Muskeln dieselben sind, lassen sich definierte Alltagsbelastungen mit freien Gewichten viel besser imitieren als an Kraftmaschinen. Das Verletzungsrisiko ist bei mehrgelenkigen Kraftübungen mit freien Gewichten zwar grösser, da sie koordinativ viel anspruchsvoller sind und mehr Fehler erlauben als geführte Bewegungen an Geräten.
Allerdings sind die Belastungen im Alltag auch nicht geführt, hier sind Fehler also ebenso leicht möglich und teils mit massiven Konsequenzen verbunden. Das Argument der vermeintlich grösseren Sicherheit von Widerstandsgeräten ist deshalb nur auf den ersten Blick griffig.

Einmal mehr liegt die Wahrheit in der Praxis wohl irgendwo in der Mitte. Einzelne Fitnesszentren sind deshalb dazu übergegangen, die an Kraftmaschinen einfach und kontrolliert erworbene Kraft in einem zweiten Schritt über koordinativ anspruchsvollere Übungen quasi auf den ganzen Körper zu übertragen. Damit werden die Vorteile der geführten Einzelbelastung am Gerät mit komplexeren alltagsnahen Gleichgewichts-und Stabilitätsübungen kombiniert, allerdings auf Kosten eines grösseren Aufwandes.

Eine gute Ausbildung von Fitness-Instruktoren und eine qualifizierte (aber personalintensive) Betreuung vorausgesetzt, sind auch für ältere Menschen, die aus den genannten Vorteilen gerne an Kraftmaschinen gesetzt werden, Übungen mit freien Gewichten oder koordinativ anspruchsvollere Gleichgewichtsübungen mit dem eigenen Körpergewicht gut zu erlernen. Und auch eminent wichtig. Das Vermeiden eines Sturzes auf rutschigem Untergrund beispielsweise kann nicht mit einem klassischen Maschinentraining erlernt werden, sondern benötigt koordinatives Geschick sowie schnelle Reflexe, die mit entsprechendem Gleichgewichts- und/oder Schnelligkeitstraining eingeübt werden können.

Ein freies, dreidimensionales Krafttraining kommt dem älteren Menschen daher im Alltag ebenso zugute, wie die sportartspezifische Umsetzung von Kräftigungsübungen dem Leistungssportler. Ein Kraftzuwachs allein ist nur halb so gut, wenn er nicht im Alltag und im Sport genutzt werden kann.

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