Ob Kraft- oder Ausdauersportler: Wer Muskeln aufbauen und erhalten will, benötigt Proteine. Was man als aktiver Mensch darüber wissen sollte.
Unsere Muskulatur befindet sich in einem steten Umbauprozess. Neue Aminosäuren werden in die Muskulatur eingebaut (Muskelproteinsynthese) sowie andere aus der Muskulatur ausgebaut (Muskelproteinabbau). Befindet sich der Körper in einem überwiegenden Aufbau von Muskelprotein und in einem geringeren Muskelproteinabbau, spricht man von einer positiven Netto-Proteinbilanz.
Der wichtigste «Trigger», um die Muskelproteinsynthese anzukurbeln, ist das Krafttraining. Mit dem richtigen Reiz auf unsere Muskulatur wird die Muskelproteinsynthese erhöht. Um diese möglichst lange aufrechtzuerhalten, ist eine entsprechende Proteinzufuhr notwendig.
Bereits eine Protein-Zufuhr ohne Training erhöht die Muskelproteinsynthese gegenüber keiner Zufuhr. Dies reicht zwar nicht aus, um Muskelmasse aufzubauen. Es kann aber helfen, die Muskelproteinabbaurate zu verlangsamen bzw. zu minimieren.
Entscheidend für den Aufbau von Muskelmasse ist neben dem Trainingsreiz die Gesamtproteinzufuhr. Auch für Ausdauersportler ist eine bedarfsdeckende Proteinzufuhr für die Optimierung der Trainingsanpassungen essenziell. Der Trainingsreiz ist dort zwar nicht primär auf Muskelaufbau ausgerichtet, dennoch ist Protein zur Regeneration notwendig.
Gut 100 Gramm pro Tag
Die Erhöhung der Muskelproteinaufbaurate ist limitiert. Über die reine Proteinzufuhr wird das Limit bei einer Zufuhr von 0,3 bis 0,4 g pro kg Körpergewicht pro Portion erreicht. Ein höherer Konsum bringt wohl keinen Mehrwert. Einzig ein Training kann die Muskelproteinaufbaurate über mehrere Stunden erhöhen.
Sportlern, die täglich moderat bis intensiv trainieren, wird eine Proteinzufuhr von 1,6 bis 2,2 g pro kg Körpergewicht empfohlen. Dies entspricht der optimalen Menge, um eine positive Netto-Proteinbilanz zu bewirken. Idealerweise wird dabei die Proteinzufuhr auf 4 bis 5 Einheiten – alle 3 bis 4 Stunden – verteilt. Das entspricht pro Portion den erwähnten 0,3 bis 0,4 g pro kg Körpergewicht. Gesamthaft ist für die meisten Sportler eine Menge von 20-40 Gramm pro Portion passend.
Welche Proteinquelle ist die beste?
Viele Studien aus dem Sportbereich wurden mit Proteinen wie Whey (Molkenprotein), Casein oder Sojaprotein durchgeführt. Der höchste Anstieg der Proteinsynthese wurde am schnellsten mit Molkenprotein erreicht. Über einen längeren Zeitraum von mehreren Stunden betrachtet, ist der Unterschied zwischen den Quellen jedoch geringer. Die Menge ist deshalb langfristig entscheidender als die einzelne Proteinquelle.
Generell unterscheidet man die Proteinqualität von verschiedenen Quellen anhand des Gehaltes an essenziellen Aminosäuren, der Proteindichte des Produktes sowie der Proteinaufnahme oder -verdaulichkeit. Wo tierische Proteinquellen das volle Spektrum an Aminosäuren enthalten, fehlen in gewissen pflanzlichen Proteinquellen einzelne Aminosäuren fast ganz, oder sie sind nur in geringer Menge vorhanden.
Das Spektrum an essenziellen Aminosäuren ist bei pflanzlichen Proteinquellen generell tiefer als bei tierischen Quellen. Zudem scheinen sowohl die Proteinverfügbarkeit wie auch die Proteindichte bei Pflanzen geringer zu sein. Um die Verfügbarkeit zu erhöhen und das Aminosäurenspektrum zu verbessern, ist daher eine Kombination verschiedener Proteinquellen notwendig. Bei rein pflanzlichen Proteinquellen ist auch eine Erhöhung der Portion denkbar, um einen ähnlichen Effekt auf die Muskelproteinsynthese zu erzeugen.
Gibt es unterschiedliche Bedürfnisse?
Wie erwähnt ist der wichtigste «Trigger» für die Muskelproteinsynthese der Reiz, den man durch das Training setzt. Dies gilt unabhängig von Alters- oder Geschlechtergruppen. Danach ist zudem die Zufuhr einer adäquaten Menge in wiederkehrenden Proteinportionen notwendig, um den im Training ausgelösten Reiz aufrechtzuerhalten.
Ob Frauen einen höheren Proteinbedarf aufweisen als Männer, ist so direkt nicht untersucht worden. Man kann aber davon ausgehen, dass dies nicht der Fall ist. Falls es einen Unterschied gibt, dann ist dieser marginal klein. Anders sieht es bei älteren Menschen aus. In der Altersgruppe ab ungefähr 60 Jahren ist eine leicht höhere Protein- wie auch Leucinmenge notwendig, um die gleichen Effekte auf die Muskelproteinsynthese zu erreichen wie bei jüngeren Sportlern im Alter von 20 bis 30 Jahren. Auch da ist jedoch das Training, sprich der Reiz, entscheidend für den Erhalt oder Aufbau von Muskelmasse.
Sind High-Protein-Produkte nötig?
Die Einnahme von speziell mit Proteinen angereicherten Produkten ist nicht nötig. Eine optimale Proteinzufuhr sowie Verteilung kann gut über die Kombination verschiedener Lebensmittelquellen erreicht werden. Bei speziellen High-Protein-Mischungen besteht die Gefahr, dass mit einzelnen Mahlzeiten sehr hohe Proteinmengen eingenommen werden, mit anderen Mahlzeiten aber keine oder nur sehr geringe Mengen. MIt Proteinen angereicherte Produkte machen dann Sinn, wenn die Kalorienzufuhr beschränkt ist oder wenn der Appetit nicht besonders hoch ist, beispielsweise bei der älteren Personengruppe.
Viele High-Protein-Produkte weisen bereits von Natur aus einen höheren Proteinanteil auf. So besteht ein High-Protein-Joghurt zu einem grossen Teil aus Magerquark, welcher per se einen sehr hohen Proteinanteil aufweist. Proteinshakes eigenen sich gut, um unterwegs oder nach dem Training die optimale Menge aus einer qualitativ hochwertigen und schnell verfügbaren Proteinquelle einzunehmen.
Kann man zu viel Protein einnehmen?
Es ist sicherlich nicht zielführend, Unmengen an Protein zu konsumieren. Bleibt man allerdings innerhalb der empfohlenen Mengen, sind keine gesundheitlichen Konsequenzen zu erwarten. Das Sättigungsgefühl bzw. der Appetit kann zudem durch eine hohe Proteinzufuhr beeinflusst werden. Das kann einen positiven Einfluss haben bei Personen, die Gewicht verlieren wollen.
Bei Personen mit tiefer Energiezufuhr – unter anderem ausgelöst durch ein reduziertes Hungergefühl oder eine schnelle Sättigung – ist eine hohe Proteinzufuhr eher hinderlich, um adäquate Energiemengen einzunehmen. Und bei einer Nierenerkrankung kann eine hohe Proteinzufuhr gar gesundheitsgefährdend sein. Ebenfalls zu beachten: Der kalorische Gehalt von Proteinen ist identisch mit demjenigen der Kohlenhydrate. Unnötig hohe Proteinmengen bedeuten daher auch eine gesamthaft höhere Energiezufuhr.
Tipps zum Protein-Konsum
- Bei den Hauptmahlzeiten auf Proteinkomponenten achten.
- Bei hoher körperlicher Aktivität sind 1,6 bis 2,2 g Protein pro kg Körpergewicht pro Tag ideal.
- Eine Portion sollte zwischen 20 bis 40 g Protein enthalten.
- Eine Proteinverteilung von 4–5 Einheiten à 20 bis 40 g pro Tag ist ideal.
- Der zeitliche Abstand zwischen den Portionen sollte 3 bis 4 Stunden betragen.
- Auf qualitativ hochwertige Proteinquellen achten oder verschiedene Quellen kombinieren.
Das beinhaltet 25 Gramm Protein
- 100 g Pouletbrust
- 120 g Rindfleisch
- 65 bis 80 g Trockenfleisch
- 115 bis 130 g Fisch
- 25–30 g Proteinpulver (Whey oder Casein)
- 250 g Magerquark
- 200 g Hüttenkäse
- Etwa 4 Eier
- 170 g Tofu
- 190 g Haferflocken
- 110 g Linsen
- 120 g Mandeln
Eine Kombination verschiedener Quellen ist ideal, entsprechend reduziert sich die Menge der einzelnen Komponenten.
Joëlle Flück (Jg. 1986) ist Sport- und Ernährungswissenschafterin sowie Präsidentin der Swiss Sports Nutrition Society (SSNS), der Fachgesellschaft für Sporternährung in der Schweiz. Joëlle Flück hat eine Marathonbestzeit von 2:44:07 h, gelaufen beim Zürich Marathon 2024.