Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe und kommen in vielen pflanzlichen Lebensmitteln vor. Sie wirken grundsätzlich positiv auf den Stoffwechsel und die Gesundheit des Menschen, entsprechend werden sie in vielen Supplementen eingesetzt. Seit gut 20 Jahren untersucht man ihre Wirkungen auch im Sport.
Die Polyphenole sind natürliche, in Pflanzen vorkommende Verbindungen und bestehen aus einer charakteristischen, ringförmigen Molekularstruktur. Sie dienen den Pflanzen als Schutzstoffe gegen UV-Strahlung, Schädlinge und Krankheiten. Zu den Polyphenolen zählt man heute mehr als 8000 verschiedene Substanzen, die sich in verschiedene Gruppen einteilen lassen (Flavonoide, Phenolsäuren, Stilbene und Lignane). Einige von ihnen, zum Beispiel das Quercetin, sind auch als Supplemente bekannt. Beim Menschen entfalten die Polyphenole ähnliche Schutzfunktionen wie bei den Pflanzen und ihr regelmässiger Konsum garantiert die generell antioxidative und entzündungshemmende Wirkung von pflanzlichen Lebensmitteln.
Wo hat es Polyphenole drin?
Die Polyphenole kommen grundsätzlich in vielen pflanzlichen Lebensmitteln vor. Aufgrund ihrer grossen Vielzahl ist die Ermittlung ihres Gehalts in den Lebensmitteln aber aufwändig und schwierig und gehört nicht zu den Routineanalysen von Lebensmitteln. Für den Alltag ist es nicht entscheidend, den Gehalt der einzelnen Polyphenole zu kennen. Ihre Wirkung ist grundsätzlich als ein von Natur aus orchestriertes Gesamtwerk zu verstehen. Auch über den gesamten Gehalt der Polyphenole unserer Nahrung müssen wir uns keine Gedanken machen.
Seine Kenntnis führt zu keinen anderen Empfehlungen für den Verzehr von Gemüse, Obst und anderen pflanzlichen Lebensmitteln als den üblichen. Das Motto lautet: Iss jeden Tag eine abwechslungsreiche und nennenswerte Anzahl an pflanzlichen Lebensmitteln, dann stimmt automatisch auch dein Konsum an Polyphenolen.
Entzündungshemmende Eigenschaften
Die Polyphenole wirken in erster Linie über ihre antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften. Sie tragen unter anderem dazu bei, freie Radikale zu neutralisieren und so Zellschäden zu verhindern. Heute geht man davon aus, dass die vorteilhaften Auswirkungen des Konsums von pflanzlichen Lebensmitteln und der damit einhergehenden Verringerung des Risikos für chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs zumindest teilweise den Polyphenolen zu verdanken ist. Eine polyphenolreiche Ernährung, also ein Konsum von nennenswerten Mengen an pflanzlichen Lebensmitteln, trägt zudem auch zur optimalen «Fütterung» unserer Mikrobiota im Darm bei.
Bessere Erholung nach dem Sport?
Die grundsätzliche Wirkung der Polyphenole als Antioxidantien und in der Hemmung von Entzündungen führte schon vor rund 20 Jahren zu ersten Untersuchungen über die Polyphenole im Setting des Sports. Dabei geht es aber nicht grundsätzlich darum, die über jede sportliche Aktivität ausgelösten oxidativen und entzündlichen Reaktionen zu reduzieren oder zu hemmen. Beide Reaktionen sind mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Voraussetzung für die positiven Wirkungen des Trainings auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Es geht in der Forschung primär darum zu untersuchen, ob die vorteilhaften Wirkungen des Trainings mit dem Konsum von Polyphenolen verstärkt werden können, zum Beispiel über eine bessere Erholung nach einer körperlichen Aktivität. Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein – wenn auch eher im bescheidenen Ausmass.
Studienlage fokussiert Ausdauer
Der grosse Teil der Forschung zu den Polyphenolen im Sport fokussiert auf die aerobe Ausdauer. In den mittlerweile einem Dutzend sauber durchgeführten Studien kam es meistens zu einer signifikanten Verbesserung der aeroben Ausdauerfähigkeit. Dabei wurde manchmal zwar nur die Belastungszeit oder die zurückgelegte Distanz bis zur Ermüdung erfasst, was nicht dem Goldstandard zur Messung der Leistungsfähigkeit entspricht. Aber in drei Studienwurde die Leistungsfähigkeit mittels Goldstandard gemessen, das heisst die benötigte Zeit für eine definierte Strecke erfasst. In allen drei Fällen bewältigten die Sportlerinnen und Sportler die vorgegebene Strecke etwas schneller, was einer echten Verbesserung der Leistungsfähigkeit entspricht.
Die Supplementierung mit Polyphenolen führte in einigen Studien auch zu einer höheren Fettverbrennung während der Belastung. Und im Kontext der Erholung nach intensiven Belastungen zeigen diverse Studien eine etwas schnellere Erholung der Muskulatur. Insgesamt ist das Ausmass der Veränderungen aber eher als bescheiden und nicht als spektakulär einzustufen.
Wirkungsweise im Sport unklar
Über die möglichen Wirkmechanismen der Polyphenole im Sport herrscht noch keine Klarheit. Denkbar ist eine leicht höhere Sauerstoffversorgung der Muskulatur sowie eine Verbesserung der Fähigkeit, übermässig entstehende radikale oder reaktive Sauerstoffverbindungen besser abzufangen. Eine einheitliche Aussage über den Einsatz von Polyphenolen im Sport kann man aber kaum treffen. In der Forschung kommen immer wieder unterschiedliche Polyphenole in verschiedenen Mengen zum Einsatz, und die Supplementierung umspannt dabei eine einzelne Dosierung vor einer Belastung bis hin zu einer täglichen Einnahme über mehrere Wochen. Man müsste daher jedes einzelne Supplement und jede einzelne Studie individuell beurteilen.
Fazit: Polyphenole gehören zweifelsfrei zu den vorteilhaften Bestandteilen der pflanzlichen Lebensmittel und ihr Konsum kann auch die körperliche Leistungsfähigkeit zu einem geringen Grad positiv beeinflussen. Der Einsatz von entsprechenden Supplementen soll aber nicht im Vordergrund stehen. Denn einerseits ist noch lange nicht klar, welche Dosierung der einzelnen Polyphenole optimal ist. Und anderseits kann eine zu hohe Zufuhr von Antioxidantien oder entzündungshemmenden Stoffen die Trainingsanpassung beeinträchtigen.
Der Fokus sollte daher auf einer ausgewogenen Ernährung mit natürlichen Polyphenolquellen liegen. Die entsprechende Empfehlung lautet: Täglich eine Vielzahl an Früchten und Gemüse mit verschiedenen Farben konsumieren. Wer zudem noch Nüsse, Kerne oder Samen, aber auch Kaffee oder Tee konsumiert, kann von einer hohen Zufuhr an Polyphenolen ausgehen. Inwiefern Supplemente mit Polyphenolen eine zusätzliche Wirkung ausüben, ist zurzeit noch völlig unklar.
*Ernährungs-Experte Dr. Paolo Colombani ist wissenschaftlicher Berater mit eigener Firma. Zusammen mit Dipl. Ing. ETH Christof Mannhart betreibt er «Notabene Nutrition, das Web-Magazin mit fundierten Artikeln zu Lebensmitteln, Supplementen & Healthy Living. www.colombani.ch; www.notabenenutrition.media